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feliz

Posted on 27.2.2020

Das Cover des Buches ist mir schon beim ersten Ansehen ins Auge gesprungen, weil mir die Darstellung der dunklen Wolken vor dem hellen Himmel ausgesprochen gut gefällt. Nach dem Lesen finde ich es nur noch passender als zuvor. Die Geschichte vermag mich letztlich aber nicht so zu überzeugen wie das Cover: Sawyer Dixon wächst in einer streng religiösen Familie auf, in der Frauen nichts zu sagen haben und haben sich vollständig den Männer unterzuordnen, wenn sie dies nicht tun, werden sie bestraft. Nach dem Selbstmord ihrer Mutter erhält Sawyer von dieser einen alten Truck und ein nicht minder altes Wohnmobil vererbt. Zudem fordert sie sie auf, ihren Vater zu verlassen und sich in die Stadt Outskirts zu begeben, wo es ein Grundstück auf ihren Namen gibt. Sawyer zögert keine Sekunde, stiehlt ihrem Vater Geld und macht sich auf in ein Leben in Freiheit. Auf ihrem neuen Stück Land angekommen, muss sie allerdings feststellen, dass ihr neuer Nachbar Finn gar nicht begeistert ist, sein Einsiedlerleben mit Sawyer zu teilen. Doch bald können die beiden ihre gegenseitige Anziehung nicht mehr leugnen, doch schafft Finn es, die Dämonen der Vergangenheit zu besiegen? Ich mochte den Schreibstil ganz gerne, weil er flüssig und anschaulich ist, sodass man besonders den Anfang des Buches gut und schnell lesen konnte. Das Hauptproblem sind aber die Figuren und die Schwächen in der Story, die auch der gute Schreibstil nicht verdecken kann. Da ist zunächst einmal Sawyer, die ich am Anfang eben gerade deswegen mochte, weil sie sich von ihren familiären Problemen nicht unterkriegen lässt und versucht, ein Leben zu finden, das für sie das richtige ist. Im Verlauf der Handlung wird diese Einstellung aber mehr und mehr unglaubwürdig, ganz einfach weil sie ihre Vergangenheit ebenso wie ihre hochgeschlossenen Kleider einfach ablegt. Sie hat über 20 Jahre in einer Sekte verbracht, in der die Frauen gar nichts zu sagen hatten und weder Sexualität noch Selbstbestimmung ein Thema waren und plötzlich trägt sie kurze Shorts, weit ausgeschnittene Shirts und geht mit einem Typen ins Bett, mit dem sie keine drei Worte gewechselt hat. Gerade diesen Konflikt zwischen der religiösen Weltanschauung, die ihr jahrelang eingetrichtert wurde und dem neuen Leben fand ich spannend, aber zu diesem kommt es gar nicht, sondern direkt wird die „Liebesgeschichte“ zwischen ihr und Finn in den Mittelpunkt gerückt. Diesen finde ich im Übrigen noch unglaubwürdiger als Sawyer. Zunächst betrinkt er sich dauernd, weil er seine Ex-Freundin vermisst, die sich (vielleicht oder vielleicht nicht) das Leben genommen hat und zack ist er in Sawyer verliebt und denkt gar nicht mehr an Jackie. Dazu kommt noch, dass er sich dauernd wie der absolute Macho-Idiot benimmt. Dauernd drängt er sich Sawyer mehr oder weniger krass auf, obwohl sie sich klar gegen ihn ausspricht oder erledigt Dinge für sie, um die sie ihn gar nicht gebeten hat. Wenn er das aus Schmerz über den Verlust seiner Freundin tun würde, hätte ich eventuell noch sowas wie Verständnis für ihn, aber man spürt diesen Schmerz als Leser fast gar nicht und er scheint mit Sawyers Auftauchen dann ja auch vergessen. Besonders dass er sich mehrfach zu sexuellen Dingen drängt, obwohl sie klar Nein sagt, geht gar nicht, egal unter welchen Vorraussetzungen und dass Sawyer noch gänzlich unerfahren in diesen Dingen ist, macht es nun wirklich nicht besser. Zunächst fand ich das Buch im ersten Lesen zwar nicht überragend, aber doch halbwegs okay, was vermutlich vor allem daran lag, dass ich es in einem Zug und ohne großes Innehalten gelesen habe. Mit ein bisschen Abstand hat mich besonders das Verhalten von Finn aber wirklich unglaublich gestört. Wie kann man denn einen Mann wollen, der immer wieder gesetzte Grenzen, ohne viel Aufhebens überschreitet und nicht mal vor einem klaren Nein zurückschreckt? Und viel schlimmer, wie kann man denn als Autorin einen solchen Mann als erstrebenswert beschreiben? Alles in allem ist es kein Buch, das man unbedingt gelesen haben muss, es sei denn, man will sich über einen gewalttätigen Macho und ein naives Mädchen aufregen, weil das trotz des angenehmen Schreibstils leider nicht ausbleibt.

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