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DasIgno

Posted on 26.2.2020

2017 in Deutschland – Bundestagswahlkampf. Die SPD steckt in ihrer bis dato wohl schwersten Krise. Was sie auch macht, die Wähler rennen weg und ihre Umfragewerte fallen von einem historischen Tief ins nächste. Anfang 2017 gelingt ihr scheinbar der Coup: Martin Schulz, bislang Präsident des EU-Parlaments, soll überraschend die Kanzlerkandidatur übernehmen. Die Ankündigung ist der Startschuss für eine lange nicht mehr erlebte Euphoriewelle, die Umfragewerte steigen rasant, obwohl noch gar nichts geschehen ist. Der Bundesparteitag wählt Schulz mit dem ebenfalls historischen Ergebnis von 100%. Der Druck ist riesig. Und der Absturz wird ein tiefer sein. ›Die Schulz-Story: Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz‹ ist das Ergebnis eines Jahres hautnaher Wahlkampfbegleitung durch den SPIEGEL-Journalisten Markus Feldenkirchen. Das Buch umfasst 320 Seiten und erschien 2018 bei DVA, einem Imprint von Random House. Die zugehörige SPIEGEL-Reportage wurde mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet. ›Die Schulz-Story‹ ist ein in Deutschland bislang ziemlich einzigartiges Experiment. Martin Schulz ließ sich auf eine sehr nahe Begleitung seines gesamten Wahlkampfes durch den SPIEGEL-Journalisten Markus Feldenkirchen ein. Einzigartig ist es vor allem durch die Absprache, dass das Buch am Ende ohne Abnahme veröffentlicht würde. Damit bekam Feldenkirchen einerseits einen sehr persönlichen Einblick, andererseits die Möglichkeit ein ungeschöntes Werk zu schreiben. Martin Schulz trat einst an als Vertreter eines offenen Politikstils nahe den Menschen, das Projekt ist im Prinzip ein logischer Schritt. Und das Projekt hat sich gelohnt, ob man Schulz oder die SPD nun mag oder nicht. Feldenkirchen berichtet detailliert über zahlreiche Stationen des Wahlkampfes, öffentliche Veranstaltungen wie Planungsmeetings. Dabei nimmt er regelmäßig eine resümierende Haltung an. Er analysiert treffsicher, wo die Ursachen für Schulz’ fortlaufendes Scheitern lagen. Wurde Schulz selber in der medialen Wahrnehmung wegen fehlender Professionalität und ähnlichem maßgeblich für das katastrophale Wahlergebnis verantwortlich gemacht, ergibt sich durch den tieferen Einblick eine wesentlich andere Perspektive. Denn neben Schulz sind es vor allem Sigmar Gabriel und die SPD-Granden selber, die die Kampagne von Anfang an auf unruhige See geschickt haben. So ergibt sich mit der Zeit auch ein anderes Bild von Martin Schulz selber. Zahlreiche Entscheidungen, die ihm öffentlich angelastet wurden – auch weil es offensichtlich war -, stellen sich in einem anderen Licht dar. Exemplarisch, weil es im Nachhinein betrachtet persönlich wohl der drastischste Fehler war, sei da die Entscheidung, in der Neuauflage der GroKo das Außenministerium zu übernehmen. Was nach außen wie eine machtpolitische Entscheidung und ein vollkommen offensichtlicher Fehler aussah, entpuppt sich als Teil eines vielschichtigen Prozesses, den Schulz nur noch bedingt steuern konnte. Feldenkirchen offenbart einen Prozess, der mit dem Moment beginnt, in dem Schulz als Kanzlerkandidat in Frage kommt, der sich über die gesamte Zeit spannt und auf den Schulz selber erstaunlich wenig Einfluss nehmen konnte. Man könnte sagen, er geriet in eine Maschinerie, die er, obwohl er Parteivorsitzender war, kaum steuern konnte. Insofern zeigt ›Die Schulz-Story‹ auch die ganze persönliche Tragik auf, die diese Kandidatur mit sich gebracht hat. Überhaupt ist das Buch zu einem großen Teil ein sehr persönliches. Es geht tatsächlich fast so sehr um den Privatmann Martin Schulz wie um den Kanzlerkandidaten. Feldenkirchen schreibt dabei so, dass man nicht selten mit dem Kandidaten leidet. Er wird greifbarer als die erst Lichtgestalt und dann Witzfigur, als die er vor und nach der Wahl beschrieben wurde. Möglicherweise ist das Buch auch vor allem so gut geworden, weil Schulz diese ganzen Entwicklungen erleiden musste und so krachend scheiterte. Was die Tragik nur erhöht. Im Bereich der politischen Berichterstattung ist ›Die Schulz-Story‹ auf jeden Fall ein empfehlenswertes Werk. Mehr Spitzenpolitiker, die ein Politikverständnis pflegen, das solche Begleitungen möglich macht, würden dem Ansehen der Spitzenpolitik sicher einen guten Dienst erweisen.

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