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nadines_buecher

Posted on 25.2.2020

Anthropologe David Slattery lässt die Leserinnen und Leser tief blicken – in die irische Seele und was sie ausmacht. Im Pub muss man gezwungenermaßen rumnerven, um anerkannt zu sein, nur in Strickjacke, Röhrenjeans und quergestreiftem Pullover ist man cool, solange man dazu auf Nahrungsaufnahme verzichtet, Wahlsiege entscheiden sich nach Frisur und einem ausgeklügelten, hochkomplizierten Auszählungsverfahren, ganz zu schweigen durch Klinkenputzen und das Überleben diverser Kläfferattacken. Ein Kapitel zum beschaulichen Weihnachtsfest darf natürlich nicht fehlen – Truthahn, Gin, Wodka und Familienkrach können jedoch auch weltweit Thema sein. Allerdings stellt sich der Ire die Frage, ob man den Weihnachtsmann mit seiner Vergangenheit wirklich auf Kinder loslassen sollte, bevor man die reiche Erbtante geschickt umgarnt und dabei andere Erbwillige erfolgreich und nach allen Regeln der Kunst aus dem Rennen kegelt. Arbeiten in Irland scheint eine durchaus ernste Angelegenheit zu sein, die äußerste Disziplin abverlangt. Wie sonst sollte man es durchhalten, konsequent nicht zu erscheinen und eine Krankheit nach der anderen aus dem Ärmel zu ziehen? Eine Firma in Irland aufzubauen sollte nach der Lektüre ebenfalls kein Problem mehr sein. Man benötigt lediglich ein großes Gebäude mit möglichst wenigen Fenstern und viel Kreativität, um möglichst hübsche Stellenbeschreibungen erfinden zu können. Vorsicht vor Topfpflanzen – ob grün oder verdörrt entscheidet über ihre künftige Stellung im Büro. Bitte versäumen sie auch nicht, sich auf einer Beerdigung in die richtige Trauernden-Kategorie einzuordnen! Bauen in Irland scheint auch ein Spaß zu sein, denn Kleidung, vorhandenes Werkzeug und der richtige Satz zur richtigen Zeit müssen zur Stelle sein, um den ordentlichen Bauunternehmer vom Cowboy unterscheiden zu können. Nebenbei empfiehlt sich das Buch auch als Handbuch und Wegweiser bei Hochzeiten und für Sportveranstaltungen. Grundsätzlicher Tenor: Welche ein Elend! Doch der Ire suhlt sich freudig darin. Denn das muss man definitiv draufhaben. Ob es tatsächlich gelingen kann, vom Hereingeschneiten über den Plastik Paddy zum echten Iren werden zu können? Ohne irische Mama, die bekanntlich an allem Schuld sein wird, egal was dem Iren oder der Irin während seines bzw. ihres Lebens zustoßen wird, wohl eher nicht. Was helfen könnte, Empfehlung des Autors: Die Leidensgeschichte der Irin Peig zu lesen. Ich konnte nicht anders, ich habe an vielen Stellen Tränen gelacht! Der Autor versieht jedes Kapitel mit einem passenden Zitat, hübsch gemacht sind auch die Grafiken der irischen Kleeblätter und nicht zu toppen ist das Foto von Mr. Slattery im Buchinnenumschlag. Ein Mann mit Humor. Mag es an der Übersetzung liegen oder am wissenschaftlichen Hintergrund des Autors, dass das Buch oftmals ein wenig in zu wissenschaftlichem Stil geschrieben erscheint. Für meine Begriffe macht es dies aber auch zu einem großen Teil aus. Man wird nicht platt oder plump unterhalten, sondern auf einem gewissen Niveau. Einzig zu Ende von Kapitel fünf „Gesundheit: Im Wartezimmer aufgeschnappt“ scheint etwas zu fehlen. Denn nahtlos geht es von den „Regeln zur Adoption“ ohne Vorwarnung in die medizinische Versorgung von Odachlosen über. Für Irland-Fans und solche, die es werden wollen.

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