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InkaLeseliebe

Posted on 24.2.2020

Wie hat's mir gefallen Miriams Lebens ist super. Sie ist in einer tollen Mädelsclique, hat einen Freund der sie liebt und auch sonst scheint alles rosig. Bis plötzlich die Schüsse erklingen. Sie sieht einen Klassenkameraden sterben und schließlich auch ihren Freund Tobi. Hätte sie dazwischen gehen können und den Tod verhindern können? Tragen Miriam und ihre Freundinnen eine Mitschuld an dem Attantat? Für Miriam beginnt ein harter Kampf, denn die Zeit nach dem Amoklauf in der Schule scheint kaum zu bewältigen. Mir hat sehr gut gefallen, dass der Leser sofort ins Geschehen geworfen wird. Die Autorin beschreibt den Amoklauf, als wäre sie tatsächlich dabei gewesen. Sie beschreibt ungeschönt alles und auch Dinge, die sich sonst keiner traut auszusprechen, geschweige denn zu denken: rette ich meine eigene Haut oder die eines unbekannten Mitschülers? Natürlich hofft jeder für sich bei einem Schuss: "Bitte nicht ich", doch niemand würde dies zugeben. Genau das schafft Anna Seidl unglaublich gut darzustellen, ohne dass die Protagonistin egoistisch wirkt. Miriam ist eine typische Schülerin: hübsch, beliebt, nett. In Rückblicken erfährt der Leser immer mehr über die Schülerin und ihr Verhältnis zu Matias, dem Jungen der Amok lief. Nach und nach erfährt man, dass der dickliche Mitschüler Interesse an Miriam hegte und sie ihn wenig nett abblitzen ließ. Sicherlich war das sehr oberflächlich und nicht die feine englische Art (ich dachte mir beim lesen oft "Oh nein, wie kann sie nur so gemein sein!"), aber die Autorin schafft es, dass man über sich selbst nachdenkt und an sich selbst denkt: War ich nicht auch schonmal im Leben so? Wer mit absolut reinem Gewissen sagen kann 'nein', der ist definitiv nicht zu 100% ehrlich zu sich. Jeder hat schonmal über einen anderen gelästert, etwas schlimmes gedacht oder einen anderen gehasst. Vielleicht hat man es nicht so offenkundig gezeigt oder nur hinter seinem Rücken gesagt "Oh je, sie hat einen Micky Maus Pulli an. Oh schau mal der Pickel von ihm!", aber niemand ist ohne Schuld. Trotz kleiner Makel war mir Miriam sehr sympathisch. Ich habe nicht jeder ihrer Schritte für gut geheißen, aber jeder macht Fehler und das ist ihr Pluspunkt. Sie gibt diese Fehler zu, bricht ihre inneren Mauern und arbeitet an sich selbst. Sie gibt dabei anderen Trauernden Hoffnung, dass man auch in extrem verzweifelten Lagen sich selbst helfen kann - wenn man nur selbst will. Das war für mich der Punkt, ab dem mir das Buch sehr gefiel. Sicherlich müssen andere Menschen helfen und eingreifen, aber man muss erst einmal selbst begreifen, dass man Hilfe braucht. Miriam durchlebt eine tiefgreifende Wandlung, die mich sehr bewegt hat. Der Schreibstil der Autorin ist jung, aber dennoch sehr gut, flüssig und fesselnd. Das Buch ist keineswegs ein Buch nur für Teenager, denn ich denke gerade nach der Teenagerzeit wird einem erst bewusst, was wichtig im Leben ist und wie man früher zu seinen Mitmenschen war. Dieses Buch lässt einen nochmal rekapitulieren. Es ist ehrlich, schockend, nachdenklich und unglaublich fesselnd. Die Autorin zeigt durch Miriams Freunde und Bekannte verschiedenste Art und Weisen, wie die Menschen mit Trauer umgehen und auch das fand ich sehr schockend, emotional, ehrlich und tief berührend. Ich möchte gar nicht zu viel verraten: lest es selbst. So sehr es mir gefiel, ich habe dennoch einiges zu kritisieren. Aber sagen wir so, es ist Kritik auf hohem Niveau. Trotz das ich weiß, dass Jugendliche sehr sehr früh Sex haben und das man selbst kein Weisenkind war, finde ich die Darstellung von Alkoholkonsum und Sex von 13-15 Jährigen sehr heftig. Sicher hat jeder schon mit 13 Alkohol getrunken (Aber in dem Maße???) und sehr früh sein erstes Mal gehabt, aber ich finde die Darstellung der Dinge hier doch etwas fragwürdig. Wenn ich mir vorstelle, ich bin eine 15 Jährige Leserin und lese nun, dass es normal ist, dass die Mutter zusammen mit ihrer Tochter (schwere Zeit hin oder her - einen Grund würde man immer finden) zwei Flaschen Wein leert und dass es scheinbar normal ist, dass 14/15 Jährige regelmäßig Sex haben, könnte das doch sehr einschüchtern wirken. Natürlich sollte man nichts verschönen, aber mir war das einfach zu viel. Eine Mutter sollte so ein junges Mädchen nicht zu solch einem hohen Alkoholkonsum ermuntern. Ich will keine Moralapostel spielen, ein bis zwei Gläser erlaubt sicher jede Mutter. Aber in dem Alter zwei Flaschen? Nochmal als Anmerkung für alle: mir geht es nicht um den Alkoholkonsum allgemein, sondern um den Umgang damit! Medien haben immer auch eine Verantwortung und können auch ohne gehobenen Zeigefinger dem Leser etwas beibringen. Abgesehen davon kann ich mit diesem veramerikanisierten Stil nichts anfangen. Wenn wir in Deutschland leben, muss man doch nicht "Mum" schreiben, schließlich sagt auch kein Amerikaner "Mutter". Da würde ich aber ein Auge zudrücken, schließlich ist die Autorin noch sehr jung und sicher doch amerikanische Medienprodukte geprägt. Alles in allem ist das Buch trotz kleiner Makel sehr gutes Buch und ich kann es nur empfehlen. Cover Es spricht vielleicht nicht jeden sofort an, aber der provokative Titel wird den ein oder anderen dazu bewegen das Buch zur Hand zu nehmen. Ich finde es sehr passend. Prägnant, jugendlich und tolle Farben. Wieso gekauft Ich habe bei einer Bloggeraktion bei Ka- Sa's Buchfinder mitgemacht. Deswegen möchte ich mich hier recht herzlich bei Katja und beim Oetingerverlag für das Buch bedanken. Gut zu wissen Die Autorin Anna Seidl wurde 1995 in Freising geboren. Ich bin immernoch so buff, dass sie so viele Jahre jünger ist als ich. Wenn ihr das Buch lest, denkt immer daran, wie jung die Autorin ist. Hut ab. Fazit Anna Seidl hat ein wunderbares Jugendbuch geschaffen, dass auch ältere Leser zum nachdenken anregt und zu Tränen rührt. Die Thematik des Amoklaufs wurde schon oft thematisiert, aber dieses Buch schafft neue und ungeschönte Einblicke in ein Opfer der ersten Reihe. Hier wird kein amerikanischer Traum von einem rettenden Helden umgesetzt, der sich vor die Kugel wirft, sondern die nackte Wahrheit gezeigt, dass die Hinterbliebenen, die überleben und nicht seelisch daran zerbrechen, die wahren Helden sind. Das Buch hat mich trotz kleiner Mängel von der ersten Seite an gepackt. Bewertung: 4/5

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