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Der Anfang: «Drei Polizeiwagen parkten auf dem gepflegten Rasen vor dem Einfamilienhaus. Ihr Blaulicht streifte in steter Wiederholung über die weiße Holzfassade. Wie eine Feedbackschleife. Für einen Moment blieb Ed im Wagen sitzen, der sich an den Straßenrand geparkt hatte, und beobachtete das Licht. Wieso war die Polizei hier? Ihm war klar, dass die Carmikels oft emotional reagierten und deshalb übertrieben. Das war der Grund, weshalb er sie ausgewählt hatte. Ihre Emotionen waren sehr gut lesbar. Ein Vorteil. Blaulicht. So ein Scheiß!» Ed ist Programmierer, einer der besten seines Fachs. Er hatte ein Familien-Assistenz-Programm entwickelt, das gerade im Haus einer Familie getestet wird. Ein Programm mit neuralem Netzwerk, das sich selbstständig weiterentwickelt. Und dieses System, eine Software, war durchgedreht, hatte getötet. Stan Carmikel ist tot, weil die KI entdeckt hatte, dass er fremdging, seine Familie betrog, böse war. Das kann nicht sein, die KI ist nur ein Programm, sie kann nicht denken und fühlen! Und diese KI ist ihm ins Netz entwischt! Er muss sie suchen. Elli ist eine ganz normale Jugendliche – gut, sie hatte zusammen mit ihrer Mutter einen Autounfall, die Mutter war verstorben und sie selbst hatte lange Zeit im Krankenhaus verbracht. Zurück blieben kleine Ohnmachtsanfälle, die durch Flash-Backs ausgelöst werden – selten. Ihr Vater ist Programmierer, früher hatte er KI’s entwickelt, doch das machen die Maschinen heute eigenständig. Er sitzt nun in einem Keller einer Einkaufsmall, repariert Service-KI’s wie Verkäufer*innen, Kellner*innen, pflegt sie, lädt sie auf. Zu Hause besitzen sie ein Hausnetzwerk und eine KI-Katze, allerdings keine Haushaltsroboter. Elli fährt einen elektronischen Oldtimer, den man noch selbst lenken muss. Sie ist in Parker verliebt, der gegenüber wohnt, einen ziemlich brutalen Vater hat, der Technik verachtet, Roboter offen bekämpft. Leider ist Elli schüchtern, nur im PC-Spiel ist sie eine Heldin, steht in einem Onlinespiel als Ada an Parkers Seite. Parker würde gern wissen, wer hinter dieser taffen Ada steckt. Eines Tages erscheint in der Schule eine neue Schülerin: Ada. Elli schnappt nach Luft! Sie sieht aus wie sie, trägt die gleichen Klamotten, Stiefel. Sie ist offen, charmant. Die anderen lachen: Hey Elli, hast du eine Schwester? Aber Elli findet das gar nicht lustig – das Biest weiß unheimlich viel über sie – was niemand wissen kann – außer einem Hacker. Da hatte es doch diesen Hackerangriff auf ihr Haussystem gegeben, den sie durch Abschalten gerade noch abwenden konnte. Alles war ok. Nur die Katze war irreparabel krepiert. Wer ist Ada? Auf jeden Fall ist sie Miststück, denn sie macht sich an Ellies Freundinnen heran, zieht bei ihnen zu Haus in das zu vermietende Zimmer ein. Und sie hat es auf Parker abgesehen, anscheinend mit Erfolg! Sie ist dabei, Ellis Leben zu übernehmen. Aber nicht mit ihr! «Adas Blick ruhte auf dem winzigen Grab. Das Sterben gehört zum Leben. Aber sie konnte nicht sterben. Die logische Schlussfolgerung war, dass sie demnach auch nicht leben konnte. Entsetzt schloss sie die Augen. Nein! Das war falsch. Ihre Existenz konnte sich doch nicht durch das Ende ihrer Existenz definieren.» Ada war eine gefühllose Konstruktion aus Bits und Bytes, die sich selbst entwickelte, Gefühle erlernte. Sie will nun frei sein, sie will ein Mensch sein! Fühlen! June Perry nimmt hier mit einem spannenden Plot ein Thema der Zukunft auf. Wie weit wollen wir in der Technik gehen? Wo unterscheidet sich der Mensch vom Computer, Logik gegen Menschenverstand. Roboter, künstliche Intelligenz, kann eine Maschine den Menschen ersetzen, ihn vielleicht sogar abschaffen, weil sich der Mensch als dumm erweist? Es gibt Berechnungen, die behaupten, dass bis 2030 ein Drittel aller weltweiten Arbeitsplätze durch Roboter bzw. Softwaresysteme ersetzt werden. Wie weit darf ein Blechkamerad dem Menschen ähneln? Wer möchte heute noch ohne Computer leben, und wäre es nicht schön, wenn eine Minna oder ein Hanswurst putzen, spülen, Wäsche waschen würde, ein Agent, der alle Launen erträgt, aufs Wort gehorcht, mich nicht vollquatscht und schon gar keine Widerworte gibt, keine Gehaltsaufbesserung verlangt? Aber wie weit dürfen komplexe Systeme, gehen, die wir selbst nicht mehr verstehen, nicht ahnen, welche Konsequenzen sich aus ihren eigenen Algorithmen ergeben? Ist Logik dem gesunden Menschenverstand überlegen? Könnten uns KI-Systeme möglicherweise schaden? Wie angreifbar sind wir, wenn wir das Denken anderen überlassen und uns völlig von Elektronik abhängig machen? Der der verstorbene Physiker Stephen Hawking warnte und rief uns zur Kontrolle auf, weil zu befürchten ist, dass digitale Superintelligenzen entwickelt werden könnten, die niemand mehr im Griff hat, die sich gegen den Menschen stellen könnten. «Sie ist nur eine Software. Aber sie will fühlen. Sie will lieben. Sie will leben. Sie will DEIN Leben.» Eine Dystopie, die in der nahen Zukunft spielt, spannend geschrieben. Rasant, aber mit Ruhepausen für den Leser. Gut, im Kopf arbeitet es ständig beim Lesen – Überlegungen zur Zukunft: Was wollen wir? Wo hört die Entwicklung auf. Wie soll ein Hausroboter aussehen, wie eine Maschine oder wie ein Mensch. Was sind ethische Grenzen, wie kann eine harmlose KI bereits mit ihrer Anwesenheit den Menschen verschrecken, in Angst versetzen? Mitreißend ist die Geschichte allemal, empathisch, denn es gibt interessante Wendungen und ein bombastisch geniales Ende. Hier ist nichts, wie es scheint – nur die wirklich Bösen sind gesetzt. Ein feiner Jugendroman, der zum Nachdenken anregt. Was kommt auf uns zu und wie wollen wir das bändigen? Denn darüber müssen wir uns heute Gedanken machen! Was geben wir preis, sind wir noch Herr darüber? Wem geben wir das in die Hand und was geschieht mit unseren Daten? Gut geschrieben, eine moderne Sprache, jugendgerecht, die mit Fachausdrücken zum Thema KI angereichert ist, ohne dass man sich überfordert fühlt. Die Altersangabe, ab 14 Jahren, seitens des Arena Verlags ist völlig ok. June Perry alias Marion Meister liebt es, in andere Charaktere und ungesehene Welten zu schlüpfen. Besonders gerne erfindet sie zukünftige Szenarien, die von unserer Gegenwart nicht weit entfernt sind. Die ersten Augmented-Reality-Spiele hat sie sich auf den Reisen durch alte Ruinen selbst erdacht, später entdeckte sie Pen & Paper sowie Video-Adventure-Games für sich. Inzwischen fiebert sie den unbegrenzten Spiel-Möglichkeiten der virtuellen und erweiterten Realität entgegen – diese haben sie zu «White Maze – Du bist längst mittendrin» inspiriert.