Ladybug
Gibt es eine zweite Chance? Zoe hat drei Jahre Jugendarrest hinter sich. Sie ist als Mörderin verurteilt, weil alle Insassen des Wagens, den sie gefahren ist, bei einem Unfall gestorben sind. Zoe war zwar betrunken, doch niemand glaubt ihr, dass man ihr den Alkohol untergejubelt hatte. Jetzt versuchen sie und ihre Mutter, ein neues Leben aufzubauen. Deshalb darf ihr Stiefvater nie erfahren, was damals geschehen ist. Doch Zoe ist eine begnadete Pianistin und bei einem sehr wichtigen Auftritt platzt der Vater eines der Opfer in die Vorstellung. Wenige Stunden später ist Zoes Mutter tot … Das Buch beginnt mit einem Zeitungsbericht über den Unfall. Das ist eine sehr schöne Idee und zieht den Leser automatisch in die Story hinein, macht diese noch realitätsechter. Gilly MacMillan lässt mehrere der Beteiligten die Story kapitelweise aus ihrer Sicht erzählen. So bildet sich ein Gesamtbild für den Leser, das mehr zeigt, als es ein einzelner Erzähler könnte, denn so kommt mehr Wissen zusammen, auch mehr Spannung, denn jeder in diesem Thriller hat sein eigenes Geheimnis. Anfangs kommen noch Zeitsprünge hinzu, damit der Leser von Zoes Vergangenheit erfahren kann, was relevant ist. Auch wenn man von Anfang an weiß, dass Zoe eine verurteilte Mörderin ist und ihre Mutter im Verlauf des Buches den Tod findet, steckt in jeder Seite enorm viel Spannung. Sympathien und Antipathien wechseln sich ab, man kommt gar nicht zur Ruhe. Kaum ein Charakter gerät nicht in Verdacht, immer wieder entwickelt man neue Theorien. Die Ungerechtigkeit Zoe gegenüber hat mich das ganze Buch über gequält. Dass jeder im Leben sein Päckchen zu tragen hat und die Autorin dies in diesem Buch auch immer wieder zeigt, war eines der Hauptthemen und hat mich gleichermaßen belastet und gefesselt. Durch die relativ kurzen Kapitel, die sehr gut dosiert sind, kam nie Langeweile auf. Die einzelnen Personen sind jeweils sehr gut gezeichnet und lassen sich entsprechend gut auseinanderhalten. Es gibt auch nicht zu viele Figuren, sodass man nicht durcheinanderkommt und auch nicht nach einem Personenregister lechzt. In all der Spannung, die nicht plump, sondern sehr subtil und dadurch für mich noch wirkungsvoller ist, bleibt noch immer viel Raum für die Gefühle der Charaktere. Ängste, Sorgen, Wünsche, Probleme – alles wurde sehr stimmig in den Thriller eingebaut, sodass es unglaublich echt wirkt. Ein weiteres Highlight im Buch ist das Drehbuch, das Zoes Stiefbruder Lucas geschrieben hat. Es bildet sowohl eine Art Bindeglied, als auch einen zusätzlichen Spannungsfaktor. Die Wende am Ende kommt unerwartet und war zunächst ein Schock, dann aber habe ich mich damit angefreundet und bin über mich selbst erstaunt. Ein einziger Faktor an der Geschichte stört mich ein wenig. Das liegt aber einzig und allein an meinem Gerechtigkeitssinn. Deshalb kann ich dafür auch keinen Sterneabzug berechnen. Vor allem aber auch, weil auf andere Art und Weise die Gerechtigkeit alles ausgleicht. Fazit: ich habe dieses Buch komplett von Anfang bis Ende genossen und kann es allen wärmstens empfehlen, die wie ich den subtilen Thrill dem blutigen bevorzugen. Von mir gibt es jedenfalls die vollen fünf Sterne.