Bücher in meiner Hand
Eva Gouel, verliess ihr Elternhaus nach einem Streit. Sie wollte nicht heiraten. Zumindest nicht irgendeinen Mann, sondern wenn, dann aus Liebe. Eva erhoffte sich von der grossen Stadt Paris ein neues, selbstbestimmtes Leben. Sie lebt in einem Pariser Wohnheim für junge Frauen. Ihre Mitbewohnerin, die Tänzerin Sylvette, verschafft Eva auf den ersten Seiten des Romans eine Arbeitsstelle als Näherin im Moulin Rouge. So kommt Eva in Berührung mit der Bohéme und lernt Pablo Picasso kennen und lieben. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, denn beide sind anderweitig verbandelt. Allerdings in Beziehungen, die sie nur gewohnheitsmässig noch aufrecht erhalten. Evas und Pablos Liebes- und Lebensgeschichte erzählt Anne Girard unterhaltend und berührend auf den 478 Seiten. Man spürt das subtile Knistern zwischen Picasso und Eva durch alle Seiten hindurch. Die Autorin haucht den Protagonisten Leben ein, als Leser kann man ihre Entscheidungen nachvollziehen. Frau Girard baut Vieles ein, das damals en vogue war. So bekommen wir nicht nur Evas erste Autofahrt und ihren ersten Telefonanruf mit, sondern ebenso wie sie sich die angesagte Frisur dieser Zeit, den Bob, schneiden liess und wie sie zum allerersten Mal fotografiert wurde. Obwohl auch der Untertang der Titanic kurz als Nebengeschichte vorkommt, war es im Grossen und Ganzen eine unbekümmerte, hoffnungsvolle Zeit, in der Alles möglich schien. Leider blieb diese Zeit nicht für lange unbeschwert, denn schon bald wird das (Über-)Leben der Künstler beim Ausbruch des ersten Weltkrieges geschildert. Im Ganzen gesehen steht jedoch immer die Beziehungsgeschichte im Vordergrund. Mir gefiel, wie im Roman das komplette Umfeld einbezogen wurde: der berühmte Salon von Getrude Stein; Picassos Freund, der Dichter Guillaume Apollinaire; die Moulin Rouge-Entertainerin Mistinguett; ihr Freund, der Chansonsänger und Schauspieler Maurice Chevalier und viele, viele andere mehr. Auch wenn man Picassos Bilder nicht sehr mag, versteht man ihn und seine Kunst nach dieser Lektüre viel besser. Picasso zeigt sich mitfühlend, liebend, verletzlich. Er ist ein Maler mit Leib und Seele, aber überhaupt kein Egomane wie Chagall. Sein neuer Malstil hatte Kritiker und Verehrer, doch in seiner komplizierten Welt bewundert Pablo Picasso die Einfachheit von Eva. Und Eva wird so beschrieben, dass man sie einfach gern haben muss. Ihr Schicksal ist bekannt, und lässt nicht nur Picasso, sondern auch den Leser am Ende um sie trauern. Ich habe den Roman verschlungen, er ist fesselnd geschrieben, er hat mich fasziniert, ist absolut lesenswert und ich kann ihn wärmstens empfehlen. Fazit: Ein grossartiger Roman über die erste grosse Liebe von Pablo Picasso! 5 Punkte.