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inavainohullu

Posted on 22.2.2020

Ich wage mich lesetechnisch ja sehr gerne auch mal aus meiner Komfortzone und entdecke Geschichten für mich, die ich vielleicht nicht gelesen hätte, wenn man mich nicht mit der Nase darauf stößt. So geschehen bei KASTANIENJAHRE von Anja Baumheier, deren Debüt mir dem Titel nach, tatsächlich geläufig war, das ich aber bisher nicht gelesen habe. In ihrem neuen Roman entführt uns die Autorin in ein Mecklenburgisches Dorf an der Ostsee, in die 1950er Jahre, kurz nach Gründung der DDR. Peleroich ist ein beschauliches kleines Dorf, in dem jeder jeden kennt und alle irgendwie miteinander verwurzelt scheinen. Elise wächst hier in den 1960er Jahren wohlbehütet auf und obwohl die Zeiten nicht immer leicht waren und sie 20 Jahre später Paris ihre Heimat nennt, ist ihr Herz auch immer noch in Peleroich zuhause. Hier hat sie sich das erste Mal verliebt, hier hat sie ihre ersten Nähversuche gestartet, hier hat sie aber auch Menschen verloren, die Auswirkungen des Sozialismus zu spüren bekommen. Nun soll das Dorf dem Erdboden gleichgemacht werden, denn wie so viele Dörfer im Osten Deutschlands, ist auch Peleroich mittlerweile fast vollständig unbewohnt. All die glücklichen Momente scheinen vergessen, zurückgeblieben ist nur Tristesse und ein Geheimnis, welchem Elise auf den Grund gehen will, nachdem sie ein mysteriöser Brief erreicht.... Anja Baumheier hat mich bereits nach wenigen Seiten in eine Art Bann gezogen, aus dem ich mich nicht mehr lösen wollte. Jetzt ist dieses Genre ja für mich ziemlich untypisch, allerdings bin ich absolut interessiert und neugierig, wenn es um das Thema DDR und Wende geht, einfach, weil ich damals viel zu jung war, um das alles richtig mitzubekommen. Natürlich habe ich den Mauerfall miterlebt und kann mich auch sehr gut daran erinnern, doch ich habe keine Vorstellung wie das Leben in der DDR gewesen sein muss. Und das ist etwas, dass dieser Roman in meinen Augen unglaublich gut widerspiegelt. Die Autorin erzählt im Zeitraffer aus Sicht mehrerer Personen. So lernen wir erst Elises Mutter kennen und erfahren, wie sie und ihr Mann Karl sich kennen und schon sehr früh auch lieben gelernt haben. Von der Heirat zur Geburt von Elise, ihr Heranwachsen, behütet und vom ganzen Dorf beschützt. Wie sie Henning kennenlernt, der ihr Fels wird und wie sie sich aber auch in Jakob, den Enkel des Pfarrers verliebt. Wie sie später selbst schwanger wird und heiratet und so fort. Der Roman vermittelt neben der Schilderung des Alltäglichen außerdem, und zwar sehr eindringlich, ein Gefühl dafür, wie schwierig die Zeiten mitunter waren, wenn es plötzlich keine Waren für die Regale mehr gab oder man nicht mehr an Stoffe kam, wie sich die Lage mit dem Mauerbau zuspitzte und welche Auswirkungen dies auf die einzelnen Dorfbewohner und auch auf deren Zusammenleben hatte. Und natürlich gibt es auch einen Einblick, was mit dem Mauerfall kam, denn in unserer Vorstellung da waren wohl alle Menschen froh, dass sie nicht mehr eingesperrt waren, doch tatsächlich hatte die Wende auch so seine Tücken und hatte extreme Auswirkungen auf die kleinen Unternehmen und die einzelnen Menschen. Ich fand das unglaublich bewegend und interessant. Die Figuren waren allesamt so authentisch und greifbar, dass ich mich in Peleroich wirklich zuhause fühlte und mich sehr gut in die Gemütslagen der einzelnen Personen hineinversetzen konnte.Ich fühlte mich mit ihnen allen verbunden, naja, außer vielleicht mit Bürgermeister Ludwig, der ein absoluter Fan des sozialistischen Systems und somit ein gesetzestreuer Bürger war, der es den Dorfbewohnern nicht immer leicht machte. KASTANIENJAHRE ist für mich ein absolut brillant geschriebener und recherchierter Roman, der mich angestachelt hat, unbedingt mehr über das Leben in der DDR wissen und mehr Bücher aus diesem Genre lesen zu wollen, weshalb ich mir auch direkt, nachdem ich das Buch ausgelesen hatte, erst einmal Anja Baumheiers Debütroman KRANICHLAND gekauft habe. Von mir gibt es deshalb eine ganz große Leseempfehlung !!!

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