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Stephan Harbort ist einer der besten Kriminalisten Deutschlands und Erfolgsautor – völlig zurecht, wie er hier auch wieder zeigt. Cold Cases sind für True Crime Fans wie mich ein besonders reizvolles Thema. Wie Ermittler bei der Wiederaufnahme vorgehen, welche Schwierigkeiten auf den verschiedenen Ebenen lauern, wie neue Techniken oder veränderte Beziehungen zwischen Personen auch scheinbar aussichtslose Fälle nach Jahren oder Jahrzehnten zu klären vermögen – all das und noch vieles mehr wird in diesem Buch thematisiert. Das Wichtigste: Kein Mörder darf sich jemals sicher sein mit seiner Tat juristisch ungeschoren davon zu kommen... Der Blick hinter die Kulissen ist einfach beeindruckend. Die geschilderten Fälle sind super interessant und wie sich Harbort in die Opfer und Hinterbliebenen, aber auch die Ermittler, einfühlt ist aus meiner Sicht sehr gelungen. Die Ungewissheit, wenn Täter und Motiv unklar sind, ist zermürbend und einfühlsam beschrieben, ohne gefühlsduselig zu werden (Harborts Leser wissen seinen neutralen und nicht effektheischenden Stil zu schätzen). Die Fälle sind sehr detailreich beschrieben, die Motivlage - sofern bekannt- wird anschaulich geschildert. Manche der sechs Fälle waren wirklich an der Grenze des Erträglichen, umso wichtiger, dass diese Altfälle nicht einfach in der Versenkung verschwunden sind, sondern von engagierten Ermittlern wieder aufgenommen wurden. Doch allein mit der Ermittlung eines potentiellen Täters, meist durch die Weiterentwicklungen der Forensik, allem voran der DNA-Analyse, ist es oft nicht getan. Verjährungsfristen oder auch fehlende Geständnisse können Schwierigkeiten bereiten. Die Fälle sind trotz gewisser Verfremdungen für den Leser meist nachvollziehbar. In vielen Fällen hat man direkt einen Täter vor Augen, auch wenn er hier nicht direkt genannt wurde - der Spannung tut es keinen Abbruch. Doch nicht alles wird verfremdet, so erfährt man, wie im Fall Peggy Spuren des NSU-Terroristen Uwe Mundlos an den Leichenfundort gelangten und in was dieser Terrorist schon vorher so verwickelt war (widerlich! Aber dieses Kapitel ist sowieso nur sehr schwer zu ertragen, denn Kinder als Opfer sind auch für den größten True-Crime-Fan kaum auszuhalten). Statistiken speziell zu Cold cases, sowie ein paar Ausführungen zum allgemeinen Umgang der Behörden mit Altfällen und wie sich dieser Ermittlungszweig von früher unterscheidet, runden das Buch gekonnt ab. Es ist ein rundum spannendes Sachbuch, welches für Laien sehr gut verständlich ist. True crime at it´s best – ganz wie man das von Harbort erwartet!