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elisabethmayer

Posted on 16.2.2020

Die griechische Tragödie, die eigentlich ein "Gesang" ist, wurde erfunden von einem Staatstyrannen - zu Ehren des Weingottes Dionysos. Nach und nach wurden dann durch verschiedene Dichter dem ursprünglichen "Chor" auf der Bühne  erst einer und dann mehrere Schauspieler entgegengestellt. Der ursprüngliche Zusammenhang mit Dionysos ging dabei verloren, man beschränkte sich auf mythische Thematiken insgesamt - bis Salih Jamal endlich mal diese Zusammenhänge neu fasste und in eine Krimihandlung goss, die in unseren Tagen spielt. Wie es wahrscheinlich leicht zu merken ist: Dieser Krimi hat mir echt Freude bereitet. Bei der Beschäftigung mit der Literaturnobelpreisträgerin 2018, Olga Tokarczuk,  war bei mir ein Satz besonders hängen geblieben: Jedes Buch ist ein Zweiglein neuen Wissens.  Dabei muss das Wissen nicht insgesamt neu sein, es genügt, wenn es für die/den Lesende*n neu ist. Ich bin auf einem neusprachlichen Gymnasium gewesen - und hab mich weder mit den alten Griechen noch mit den alten Römern näher befasst. Ein Obelix-Fangirl war ich auch nie. Ich mochte als Kind am liebsten den freundlichen, treu-doofen Goofy und den Kleinen Muck. Aber selbst wenn man fast nichts weiß über die alten Griechen, bei dem Romantitel Orpheus merkt man natürlich auf - und der Autor selbst hilft einem ja bereits im "Prolog" - ganz im Sinne der griechischen Tragödie - auf die Sprünge. Und dank Internet lässt sich heutzutage früher entgangenes Wissen relativ leicht aneignen. Heute morgen habe ich den Roman mit diesem irren Showdown (im klassischen Drama der 5. Akt) nun zu Ende gelesen - und kann ihn eigentlich nur uneingeschränkt weiterempfehlen. Auch wenn dieser Roman keinen "großen Verlag" hinter sich hat. Das ist zu bedauern - aber nicht zu ändern. Oder? Wer sich nicht näher auf die alten Griechen einlassen will, liest das Buch einfach als spannenden Krimi - der mit einer sehr, sehr schönen Sprache aufwartet und allerhand Weisheiten enthält, die man sich gerne bewahren und auf Plakate drucken würde. Salih Jamal ruft am Ende des Buchs dazu auf, Orpheus zu rezensieren, etwas Nettes darüber auf Facebook oder Instagram dazu zu posten: Ein Auftrag, dem ich wirklich gerne nachgekommen bin! Danke, Salih! Echt gut gemacht!

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