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stricki

Posted on 16.2.2020

Flucht und Bürokratie Wir wissen nicht, wie es sich anfühlt, als Geflüchteter in Deutschland zu leben. Ich dachte, ich hätte Ahnung, aber - weit gefehlt. Wer es wissen will, sollte dieses Buch lesen. Karim Mensy wollte nicht nach Deutschland, er wollte nach Paris zu seinem Onkel. Er wollte studieren. Stattdessen landet er in Bayern, in der Provinz. Hat der Schlepper einen Fehler gemacht, oder war es ihm egal? Abbas Khider erzählt sehr bildhaft davon, wie eine Handvoll junger Männer versucht, das Beste aus der Situation (Misere?) zu machen. Was es mit den jungen Menschen macht, wenn sie gesellschaftlich ganz unten stehen, nichts haben, nichts dürfen, aber doch so gern dazu gehören würden. Langeweile, Anspannung, Stress, Diskriminierung. Ungewissheit. Ein Leben im Asylbewerberheim, mit Hilfsarbeitertätigkeiten, im besten Fall. Den Behörden ausgeliefert, ohnmächtig. Er beschreibt, wie die Umwelt auf diese jungen Männer reagiert, von netten ehrenamtlichen Helfern, engagierten Beamten und von Willkür, von Hippsterbesuchern, die ein schales Gefühl hinterlassen, Diebstahl, Drogen und Prostitution. Es ist das eine, eine dunkle Ahnung dessen zu haben, oder konkret darüber zu lesen, was es psychisch mit den hoffnungsvollen jungen Menschen macht. Jahrelanges zermürbendes Warten, bittere Armut, Scham. Um letztendlich dann doch abgeschoben zu werden. Abbas Khider verpackt dieses schwere Thema raffiniert in eine ungewöhnliche Rahmenhandlung. Karim will seiner ehemaligen Sachbearbeiter eine scheuern, sie soll sich seine Geschichte anhören. Wo ihr sein Schicksal immer am Allerwertesten vorbei ging. Sie. Soll. Nun. Endlich. Mal. Zuhören. Karims Geschichte ist spannend und so menschlich. Ein Zeitzeugnis, wie es Geflüchteten im 21. Jahrhundert in Europa ergehen kann. Ein Armutszeitzeugnis. Leseempfehlung!

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