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Bris Buchstoff

Posted on 15.2.2020

Grenzüberschreitung und Strafe Der Legende zufolge war es Eva, die Adam dazu verführte, vom Baum der Erkenntnis zu naschen, womit gleichzeitig der Verlust des Paradieses für die Menschheit besiegelt war. Auch heute noch gibt es genügend Ansatzpunkte, an denen vor allem Männer festmachen, dass Frauen an und für sich für vieles die Schuld tragen. Deshalb versuchen solche Männer nach wie vor, die Eigenständigkeit und Freiheit des weiblichen Geschlechts einzuschränken. Auch wenn wir in der westlichen Welt schon ein paar Schritte vorangekommen sind, was die Gleichberechtigung der Geschlechter angeht, so gelten für Frauen doch meist noch andere Regeln als für Männer, die sich im Allgemeinen immer ein bisschen mehr zuschlagen oder raus nehmen dürfen, als meine Geschlechtsgenossinnen. Natürlich gibt es auch genügend Beispiele dafür, dass Frauen sich nehmen, was ihnen zusteht und ihr Leben so führen, wie sie es für richtig halten. Was dieser Haltung zugrunde liegt und welchen Preis Frau dafür zahlen muss, das beleuchten vier kurze, aber nichts desto trotz weniger eindrückliche Essays, die Connie Palmen über vier Persönlichkeiten verfasst hat, die eines gemeinsam hatten: ihre eigentliche Identität zwang sie dazu, nach außen jemand anderes zu sein, um Anerkennung für die Person zu erhalten, die sie waren. Ihre seelischen Leiden und der Wunsch, sich davon zu befreien, leuchtet Connie Palmen einfühlsam und dennoch klar und objektiv fest. Die vier Frauen, um die es hier geht sind Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles und Patricia Highsmith. Connie Palmen hat sich den vier Persönlichkeiten - und das waren sie trotz oder gerade wegen ihrer Zweifel ihrer eigenen Identität gegenüber auf jeden Fall - eingehend, wenn auch kurz, gewidmet. Dabei geht sie wunderbar ehrlich, objektiv, nicht wertend, aber empathisch vor, ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Sie hat sich fundiert über die Biographien und die damit verbundenen Prägungen der vier beschäftigt und vermag es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die geneigte Leserschaft objektiv und unverstellt einen Blick auf die seelischen Untiefen dieser einzigartigen Frauen bekommt, ohne sich voyeuristisch zu fühlen. Die Härten, denen sich die vier bereits in früher Kindheit ausgesetzt sahen, sei es durch die allen gemeinsame problematische Beziehung zur Mutter oder durch die bei allen meist abwesenden Väter, brachten sie dazu, sich mit ihrer Identität mehr zu beschäftigen als andere Frauen der Zeit. Weil sie keine verwurzelte Identität entwickeln konnten, schufen sie sich diese durch ihre Kunst. Daran kann man zerbrechen - und so ist es den vieren ja letztendlich auch ergangen. Connie Palmen analysiert klug, ohne zu sezieren. Das ist wohltuend. Sie zeigt auf, wie sehr Frauen, die ein quasi grenzüberschreitendes Leben führen - soll heißen, sich den Vorstellungen anderer von ihrem Leben nicht anpassen - geradezu damit rechnen, für diese "Dreistigkeit" bestraft zu werden. Verrückt ist, dass das wohl jede Frau in irgendeiner Weise kennt, zumindest habe ich in meinem Umkreis das Gefühl, dass das so ist. Es hält uns heute nicht mehr so stark davon ab, ein selbst bestimmtes Leben zu führen, wie vor nicht allzu lange Zeit, aber gegen althergebrachte Vorstellungen müssen auch wir heute noch ankämpfen. Connie Palmen ist mit ihren vier kurzen aber gehaltvollen Essays über Marilyn Monroe, Patricia Highsmith, Jane Bowles und Marguerite Duras trotz der Tragik, die diese vier Leben beinhalteten, ein wunderbares Kleinod gelungen, das nicht nur optisch sondern auch inhaltlich mindestens einen zweiten Blick wert ist.

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