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Bris Buchstoff

Posted on 15.2.2020

Auf der Flucht Vier Jungs – unterwegs in einer Familienkutsche. Allerdings nicht auf einem lustigen Ausflug, sondern quer durch die USA auf einem Roadtrip mit tödlichem Auftrag. Alles fangt damit an, dass East „sein Haus verliert“. Er steht Schmiere, nichts anderes. Nun gut, ein bisschen mehr ist es schon, denn er hat ein paar Jungs unter sich, die dasselbe tun. Eben an anderen Straßenecken. Falls etwas außergewöhnliches passiert, ist es ihre Aufgabe, im Haus Bescheid zu geben. Sozusagen ein menschliches Frühwarnsystem. Doch eines Tages passiert es. Fast unmerklich, leise kommt es und erwischt die Jungs eiskalt. Oder vielleicht scheint es nur so? Klar ist das nicht sofort. Ebenso wie manch anderes. East ist jung, das weiß man, doch wie jung er ist und welcher Herkunft, wie er dazu kam, ein Haus zu bewachen, in dem offensichtlich kriminelles Treiben stattfindet, das erfährt die Leserschaft nach und nach – zumindest fühlt sich die Lektüre so an, als ob diese Informationen nur langsam durchsickern. Tatsächlich aber schafft es Bill Beverly in seinem Debütroman auf engem Raum viel mitzuteilen, ohne ins Hasten zu geraten. Fast könnte man sagen, seine Erzählweise wäre eine gemächliche, doch tatsächlich ist sie einfach eher ungewöhnlich, einzigartig, bisher von mir nicht so gelesen, zumindest nicht in einem Genremix aus Krimi, Thriller und Coming-of-Age. Bill Beverly ist für seinen Debütroman – der im übrigen im Original ebenfalls den Titel Dodgers trägt – mit Lob und Preisen im englischen Sprachraum überhäuft worden. Und das nicht zu unrecht. Geht man allerdings mit einer gewissen Erwartung an die Lektüre, mag man enttäuscht werden. Obwohl es sich hier eindeutig um einen Genremix handelt, sind die einzelnen Anteile nicht gleichgewichtig. Die Geschichte, die East umgibt, ist in gewissen Kreisen sicherlich nicht ungewöhnlich, die Härte, die sein jüngerer (!) Bruder Ty an den Tag legt, doch erstaunlich. Dessen Art zu sprechen und mit Situationen umzugehen, ist einerseits geprägt von einer unglaublich harten, emotionslosen und unnachgiebigen Sicht auf sein – wie schon gesagt bisher sehr kurzes – Leben und andererseits schimmert da immer wieder die Unbekümmertheit, Planlosigkeit und manchmal auch schiere Selbstüberschätzung normaler Teenager durch. Sowohl Ty als auch East sind ja beides noch wirklich Teenager. East gerade mal der Pubertät entwachsen – aufgrund seiner Herkunft ist das schon früher der Fall als bei umsorgten Teenagern – Ty jedoch steckt da noch mittendrin. Und das ist in Kombination mit einer unglaublichen kriminellen Energie für alle Beteiligten des Roadtrips brandgefährlich. Beverly hat sich mit dem, was er in Dodgers als mörderischen Auftrag getarnt beschreibt, eingehend beschäftigt: Flucht. Die Jungs müssen fliehen – vor allem einer von den vieren soll eine Chance bekommen. Wie solche Fluchten ablaufen, organisiert werden, welche Netzwerke es braucht, damit sie gelingen können und vor allem wie sich die Rahmenbedingungen sowohl für die kriminelle Seite als auch für die Gerichtsbarkeit unter J. Edgar Hoovers FBI veränderte. All das, was sich bisher in Texten über Flüchtende – als prominentes Beispiele wäre da der Wettstreit zwischen Hoovers FBI und John Dillinger zu nennen oder zahlreiche Erzählungen wie Bonnie und Clyde oder ähnliche – findet, baut er geschickt auch in seinen Roman ein. Beverly ist sehr wohl bewusst, was es alles braucht, um einen Flüchtenden auch tatsächlich außer Reichweite der Justiz zu bringen. Ob es ihm gelingt, den Jungen, dem er eine andere Zukunft zugedacht hat, auch vor dem Arm des FBI zu schützen, das muss man sich selbst erlesen. Dodgers ist nicht unbedingt das, was mir persönlich zum Thema rasanter Thriller einfiele, aber es ist ein sprachlich und handwerklich absolut fundierter Roman, der über die Grenzen der reinen Spannungsliteratur hinaus geht und ist damit wenn nicht für manche eine Überraschung allemal sehr lesenswert.

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