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stricki

Posted on 14.2.2020

Amerika heute Dieses Buch lässt mich nicht los. Was für eine unglaubliche, besondere Geschichte, das muss man sich auch erst mal trauen. Atticus Lish wirft dich mitten ins moderne, heutige New York, doch er zeigt nicht die glitzernde, angesagte Weltstadt, hier geht es direkt und ohne Umschweife an den äußersten Rand dieser Gesellschaft: Illegale trifft auf Kriegstäteropfer trifft auf White Trash. Ich bin großer Fan kurzer Sätze. Hauptsatz an Hauptsatz, Atticus Lish trifft da voll und ganz meinen Geschmack. Ich mag diese distanzierte Sprache, dieses Beschreibende, das viel Raum für eigene Gefühle und Gedanken lässt. Ja, er produziert damit Bilder, schnell, unbarmherzig, teilweise stroboskopartig. Zum Inhalt: Da ist die fleißige, sympathische Zou Lei, die mit viel Disziplin und harter Arbeit versucht, es zu etwas zu bringen. Doch als illegale Einwanderin, Muslima, Angehörige einer chinesischen Minderheit, ist sie der Willkür ihrer Arbeitgeber, Vermieter, Polizei und Einwanderungsbehörde oft schutzlos ausgeliefert. Im Buch wird deutlich, wie sehr sich die Bedingungen für Flüchtlinge seit 9/11 verschärft haben. Nichtsdestotrotz macht sie jeden noch so fiesen Job, trainiert ihren Körper, um stark und belastbar zu sein. Sie gibt alles und kommt doch kein Stück von der Stelle. Dann lernt sie Skinner kennen. Hochgradig traumatisierter Ex-Irak-Soldat, der von Tabletten und Alkohol benebelt durch New York taumelt, orientierungslos. Hoffnungslos und ohne Perspektive. Was die beiden verbindet: Ihre Liebe zum Sport, beide lieben es, ihre Körper zu stählen, zu laufen, fit zu sein. Muskelbepackt. Das Buch ist keine romantische Liebesgeschichte. Es ist die realistische Darstellung von zwei Menschen, die eine Gemeinsamkeit haben, sich dadurch anziehend finden und versuchen, sich gegenseitig Halt zu geben. Ein aussichtsloses Unterfangen ... Eine unerträglich Spannung erhält das Buch durch den gewalttätigen Jimmy, ein Unsympath, wie er schlimmer nicht sein könnte. White Trash, Abschaum. Roh, abgestumpft, eine Gefahr für die Menschheit. Ich habe seine Geschichten nicht gern gelesen, auch wenn ich verstehe, warum Lish sie in dieses Buch packen musste. Es ist so klar, dass etwas zwischen den Dreien passieren wird. Aber es passiert anders, als erwartet. Lish baut die Spannung quälend langsam auf (auch für mich hätten es hier einige Seiten weniger sein können im zweiten Drittel des Buches), und dann überschlagen sich die Ereignisse, ich hab immer noch Schnappatmung, wenn ich dran denke. Ich hab den Schluss verschlungen. Ich bin damit einverstanden, er ist für mich schlüssig. Logisch. Gerecht? Das mag jeder selbst entscheiden. Um Gerechtigkeit geht es in diesem Buch nicht. Im Gegenteil. Es zeigt das Leben abseits der hippen Gutverdiener, es zeigt eine Welt, in der jeder ums Überleben kämpft. Und jeder mit seinen Mitteln und auf seine Art und Weise. Amerika heute. Mein Fazit: Das Buch ist für mich ein besonderes Zeitzeugnis, es zeigt verschiedene Facetten unserer aktuellen Welt, die uns im besten Falle verborgen bleiben. Nichtsdestotrotz sind sie vorhanden, und so weit weg sind sie nicht. Im Gegenteil. Wie man sieht, mich hat das Buch sehr berührt. 5 Sterne!

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