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stricki

Posted on 14.2.2020

Wissenschaft und Herzschmerz Was für eine durchgeknallte Story! Ich bin durch das Buch hindurch geflogen und konnte kaum erwarten, was wohl als nächstes passiert. Das Setting ist perfekt: Gelangweilter sehr sehr reicher Schauspieler und Regisseur, der gerade einen kreativen Hänger hat und darüber hinaus mal wieder Single ist, entwickelt mit seinem ihn heimlich liebenden und verehrenden Assistenten und einem Team von Wissenschaftlern, deren Seriosität angezweifelt werden darf, ein Viel-Freundinnen-Experiment! Es gibt eine mysteriöse Stellenausschreibung, die viel Geld verspricht und wenig Aufwand. Klar, dass sich darauf die Naiven und Verzweifelten melden! Unter anderem Mary, die körperlich und seelisch schwerst angeschlagen dringend viel Geld für eine suspekte Therapie benötigt. Mary, einsam und komplett isoliert von der modernen Welt aufgewachsen, mit einem bibelfesten Despotenvater und der schwachen Mutter, scheint genau die Richtige zu sein, um dem berühmten Star unvoreingenommen gegenüberzutreten. Sie erhält die Rolle der emotionalen Freundin. Es gibt auch noch eine Alltagsfreundin, Intimfreundinnen, eine Wut-Freundin, eine intellektuelle Freundin und so weiter ... Alle erhalten vom Assistenten und dem Wissenschaftlerteam genaue Handlungsanweisungen, alles wird mit Sensoren vermessen und mit Kameras aufgezeichnet. Big Brother´s watching you, Liebe ist messbar, beeinflussbar, kontrollierbar, oder zumindest ist das das Ziel des Experimentes. Liebe ist machbar. Aber in wen wird sich der große Kurt verlieben, werden die Frauen sich verlieben, oder werden sich gar alle Frauen in Kurt und umgekehrt verlieben? Alles scheint möglich. Im ersten Handlungsstrang lernt man das Leben der einsamen Mary kennen, die sehr darunter leidet, dass ihre einzige Freundin gerade in der Versenkung verschwunden ist. In Liebesdingen ist sie wenig bewandert, in Gedanken trauert sie um ihre Liebe zu Paul, den sie irgendwann auch dann vermisste, wenn er neben ihr saß. Als einziger Kontakt bleibt ihr ihr neuer Therapeut Ed. Dessen Beachtung aber sehr teuer ist. Nun, sie erweist sich zunächst als Naturtalent im Experiment. Viele andere Freundinnen sortiert der großartige Exzentriker schnell und ohne mit der Wimper zu zucken aus, in Marys empathische Art und ihre Fachkompetenz in Sachen Zuhören können verliebt er sich. Denkt er jedenfalls. Bei Mary ist die Sachlage komplizierter. Sie ist abgelenkt, wegen ihrer Freundin. Sie reagiert nicht wie die Wissenschaftler sich das erhoffen. Dennoch wird die Beziehung zwischen Kurt und Mary enger ... Mehr kann ich nicht verraten, ohne zu spoilern. Will ich auch nicht. Die Sprache des Buches ist hypnotisch, da gebe ich dem Klappentext vollkommen recht. Die ganze Story ist leicht drüber, aber so nah an der realen Welt, dass vielleicht genau das die Spannung des Ganzen ausmacht. Ein solches Experiment ist in Zeiten von Reality-TV-Trash-Formaten wie "Der Bachelor", "Kiss Bang Love" oder "Big Brother" absolut vorstellbar. Die Wissenschaft hat künstliche Brüste, Psychopharmaka und geklonte Schafe hervorgebracht, da kann man sich einiges mehr vorstellen! Catherine Lacey taucht tief in die Seelenwelten ihrer Protagonisten ein, was dem Buch sehr gut tut. Ein wirklich außergewöhnlicher Stoff. Meine Leseempfehlung!

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