Maike Bücheler
Mireille ist zum dritten Mal zu einer der Würste des Jahres gewählt worden – einem der hässlichsten Mädchen ihrer Schule. Dieses Mal allerdings nicht in Gold, sondern nur in Bronze. Obwohl sie die anderen beiden Würste am Anfang gar nicht kennt, wird schnell klar, dass sie einander helfen können – und zwar damit, mit dem Fahrrad nach Paris zu fahren und dort dann die Sommerfeier im Elysée-Palast zu crashen. Dieses Buch ist das einzige, das ich mir auf FBM im Oktober selbst gekauft habe. Warum? Weil es unheimlich witzig und anders klingt und vor allem, weil die Autorin so unglaublich nett war. Wäre sie nicht gewesen, hätte ich vermutlich nie zu dem Buch gegriffen, denn den Klappentext finde ich eher abschreckend: das klingt zu sehr nach Lektüre mit großen moralischen Ansprüchen, die dem Leser mit dem Schlaghammer eingebläut werden. Aber das ist es gar nicht, überhaupt nicht. Natürlich hat das Buch eine Message – sogar mehr als eine, aber es braucht keinen Hammer um sie rüberzubringen, sondern benutzt stattdessen ganz viel Witz und Gefühl. Ich habe beim Lesen auf jeden Fall herzhaft gelacht. Schuld daran ist nicht zuletzt Mireille. Mit ihren fünfzehn Jahren (Fünfzehneinhalb, ist ja gut) steckt sie mitten in der Pubertät und ist damit nicht immer ganz einfach. Außerdem hatte sie sowieso schon immer ein freches Mundwerk, von dem sie auch redlich Gebrauch nimmt. Hinzukommt dann natürlich auch noch das jahrelange Mobbing, das ihr auf den ersten Blick gar nichts auszumachen scheint. Schlaue Sprüche, Gegenargumente, Mireille hat eine dicke Haut und lässt sich nichts gefallen. So muss sie wohl sein, wenn sie nicht zerbrechen will. Und trotzdem erscheint sie niemals kalt oder arrogant, sondern immer ehrlich und vor allem realistisch. Damit beweist sie, dass man Jugendliche auch anders als furchtbar nervtötend gestalten kann. Ihre beiden Mitstreiterinnen ergänzen sie dabei toll. Zunächst die kleine Hakima, die noch so jung ist und genau deshalb so oft mit der Weisheit einer alten Frau spricht. Selbstlos tritt sie für ihren Bruder ein, zeigt, dass sie eines Tages eine starke Frau sein wird – und ja, das obwohl sie muslimischen Glaubens ist. Gerade weil sie muslimischen Glaubens ist. Eine starke Figur, voller Akzeptanz und Lebensmut, die Art Repräsentation, wie sie es in Büchern öfter geben sollte. Dann ist da noch die mütterliche Astrid, zwar älter als Mireille, aber sehr viel dünnhäutiger. Mal still, aber immer klug und vorausschauend und der absolut größte Fan der Band Indochine. Womit wir wieder beim Thema realistischer aber nicht nervtötender Jugendlicher in Büchern wären. Ich glaube, fast jeder von uns war einmal besessen von irgendwas. Bei mir war es Twilight, bei Astrid ist es eben Indochine. Doch das definiert sie nicht allein, es ist eine ihrer vielen Eigenschaften und dafür hat man sie unglaublich gern. Dann gibt es da auch noch den Sonnenschein, für den Mireille wohl ein bisschen schwärmt – ohne, dass es jemals kitschig oder unrealistisch würde. Dieses Buch ist nicht zum Träumen, es ist zum Reisen. Und zum Lernen, denn man kann sehr viel daraus lernen, viele Zitate rausschreiben und sich an die Wand pinnen. Und trotzdem verschwindet das Augenzwinkern nie, wird es nie zu ernst oder langweilig, sondern bleibt spritzig, ehrlich, dynamisch und irgendwie anders. Ich habe auch gesehen, dass das Buch für den Prix des Lycéens nominiert war. Ich habe es dieses Mal auf deutsch gelesen, nicht auf französisch, aber ich glaube, das macht keinen Unterschied. Ich fand es auf jeden Fall viel besser als die Bücher, die wir damals lesen mussten, als wir da mitgemacht haben. Vielleicht liegt es nur daran, dass ich es eben diesmal nicht lesen musste sondern lesen wollte. Vielleicht ist es aber auch einfach ein gutes Buch, das viel Spaß macht.