buechermaedchen
Ein schier unglaubliches Leben führt Benjamin von Stuckrad-Barre, Erfolg, Geld, Prestige und dann der selbst herbeigeführte Fall. Gestern alles, heute nichts und was kommt morgen? Grundlegend handelt es sich bei Panikherz um ein autobiografisches Werk, welches das Leben des Autors von der Kindheit an reflektiert. Dabei bedient er sich Erlebnissen aus seinem Leben, welche äußerst detailreich erzählt werden. Stuckiman, so wird er liebevoll von Udo Lindenberg genannt, liest seine Hörbücher selbst ein und da mir der Sprachstil und die Hingabe sehr zusagt, musste es für mich natürlich das Hörbuch sein. Autobiografisch aufgebaut beginnt alles bei seinen Eltern, welcher er selbst als „Müslis“ bezeichnet. Bereits in dieser frühen Lebensphase findet sein musikalischer Geschmack zu Udo Lindenberg und, soviel sei gesagt, dieser verblasst irgendwann, verschwindet jedoch nie gänzlich. Heute sind diese beiden eigenartigen, auf ihre spezielle Art liebevollen Menschen eng befreundet. Stuckrad-Barres Leben ist zu Beginn äußerst erfolgreich, er bekommt als ungelernter sehr gute Jobs, schreibt unter anderem fürs Rolling Stones Magazin, für die TAZ, FAZ und den Stern. Später verfasst er Witze für keinen geringeren als Harald Schmidt. Auch arbeite er als Produktmanager eines Plattenlabels in den goldenen Zeiten der Musik, im Buch erzählt er, wie ihm eine aufstrebende Band namens Rammstein weg genommen wird, weil er einfach dafür zu schlecht war. Dann kam sein Debütroman „Soloalbum“ und der gleichnamige Film, der dazu beitrug, dass ein Matthias Schweighöfer heute gefühlt täglich im TV zu sehen ist. Doch es ging nicht so weiter, leider traf bei Stuckiman die alte Redewendung „Wer hoch fliegt wird tief fallen.“ zu, woran er selbst die Schuld trug und dies im Buch auch herrlich selbst reflektiert wiedergibt. Die folgende ausführlich dargestellte Phase, bestehend aus Drogensucht und Bulimie zerstörten nicht nur den Autoren, sondern auch den Menschen Benjamin fast vollständig. Kokain wird zu seiner Leidenschaft und das Kotzen sein Begleiter. Erschreckend detailgetreu berichtet er, wie er vor einer Fressattacke gern Gummibärchen aß, denn diese hielten sich lang im Magen und waren farbig. „Wenn die Gummibärchen kamen, konnte man aufhören zu kotzen.“ war sinngemäß einer der Sätze. Das ganze Verderben, dieser scheinbar undurchdringbare Kreis aus Drogen, Schlankheitswahn und dem gleichzeitig immer weiter vorrückenden Verfall ist unglaublich berührend bei gleichzeitiger ironischer Betrachtung seiner selbst. Schlussendlich reißt ihn der Tod eines seiner besten Freunde aus dieser Lethargie und seine Brüder, so schmalzig es klingen mag, kommen und retten ihn. Im Buch kommt dann eine wunderbare „Ode an die Familie“ die mich sehr gerührt hat. Sein Leben schreitet weiter voran und wir mit ihm, inzwischen lebt er im Hotel, ganz wie sein Vorbild Udo. Nur das Stuckiman sich für LA und das berühmte Chateau Marmont entscheidet, dort hat er ein Zimmer im Garten mit Blick auf ein, nein, DAS Gucci Billboard, welches er als „Stern von Betlehem“ bezeichnet. Ab hier wird das Buch inhaltlich schwächer, die Geschichten sind immer noch interessant, aber manchmal scheint sich Stuckiman in seinen Erzählungen zu verlieren. Trotzdem bereitet es Spaß, dieses Werk bis zu Ende zu konsumieren. Es beeindruckt mich, das man unterhalten, aber auch gefordert wird. Definitiv keine Literatur zum nebenbei lesen oder hören. Mehrere Male musste ich zurück spulen um das gesagte wirklich erfassen und verstehen zu können, was auch an den vielen Schachtelsätzen und Worterfindungen lag. Aus meiner Sicht ein Buch, das man gelesen haben sollte. Es hat mich oftmals abgeholt und sei es nur mit Feststellungen, wie man Musik als Zeitmaschine nutzt und unser Handy, gefüllt mit Musik ja schlussendlich auch genau dies ist, eine Zeitmaschine. Klare Leseempfehlung für alle, ob jung oder alt. Auch für dieses Buch muss ich einen Lerneffekt ähnlich dem von Christiane F. feststellen, denn der Drogenverfall ist schlicht und ergreifend ehrlich dargestellt.