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travlinbone_nika

Posted on 14.2.2020

„Sie schreibt die Geschichte ihres Hungers. Sich schreibt die Geschichte ihres Körpers. Es ist keine Erfolgsgeschichte. Aber eine, die erzählt werden muss.“ Bereits der Klappentext verdeutlicht gut, dass es sich bei „Hunger“ von Roxane Gay um keine leichte Kost handelt. Mit viel Gefühl und tiefen Einsichten schreibt die Autorin über ihre eigenen Erlebnisse in einer grausamen Welt. Doch sie macht dem Leser auch Hoffnung darauf, dass es nach jedem Chaos auch wieder nach oben gehen kann. Die Tiefgründigkeit der Geschichte verdichtet sich, als die Autorin nicht nur über das Erlebte schreibt, sondern auch den Schreibprozess selbst reflektiert. Wie hat es sich für sie angefühlt, diese Geschichte zu schreiben? Zu wissen, dass diese Worte von vielen Lesern wahrgenommen werden, die Schlussendlich alle über ihre Vergangenheit Bescheid wissen. Ich persönlich stelle mir diesen Schreibprozess als äußerst schwierig vor, wenngleich er womöglich auch eine Art heilende Wirkung haben kann. Wie eine Therapie, in der man sich alles von der Seele schreibt. Toll fand ich an diesem Buch, dass die Autorin nicht nur allein auf das Thema „Dicksein“ zu sprechen kommt. Neben ihren Erfahrungen als dicke Person, berichtet sie auch generell vom Frausein, dem damit einhergehenden Sexismus und ihrem erlebten Rassismus in der heutigen Welt. Es ergibt sich eine vielschichtige Geschichte, in der jeder Leser sein Plätzchen finden kann. „Ich bin all unsere traurigen Geschichten leid, nicht leid, sie zu hören, sondern der Tatsache leid, dass wir diese Geschichten zu erzählen haben, dass es so viele dieser Geschichten gibt.“ Hunger (R. Gay): S. 256 Gleichzeitig gelingt es ihr, alle Nicht-Betroffenen darauf aufmerksam zu machen, wie es für Betroffene ist und sensibilisiert so für einen besseren Umgang miteinander. Sie macht aufmerksam auf Situationen, die Nicht-Betroffene ausnutzen oder unbedacht verschlimmern. Selbst jetzt, nur kurze Zeit später nach der Lektüre dieses Buches, nehme ich meine Umwelt anders wahr und versuche mich anderen gegenüber aufmerksamer zu verhalten. Interessant fand ich auch den Titel, der im ersten Moment ironisch und verwirrend klingen mag. Hunger. Auch hier schafft es Roxane Gay einen Begriff zu finden, der so viele Gefühle in sich vereint, dass er einfach passt. Denn wir hungern nach so viel mehr, als nur nach Essen. „Wir wünschen und verlangen und wünschen und verlangen, wir sind so voller Sehnsucht. Wir hungern.“ Hunger (R. Gay): S. 254 Leider habe ich auch einen kleinen Kritikpunkt anzubringen. Während die Autorin so viel Wahres beschreibt und erklärt, was die LeserInnen berührt und sensibilisieren kann, so kommt es auch regelmäßig zu kleineren Wiederholungen. Zum Beispiel werden verschiedene Lebenssituationen einige Kapitel später erneut angesprochen. Nicht immer mit neuem Input. Auch ist die erzählte Reihenfolge an der einen oder anderen Stelle in meinen Augen nicht stringent genug. Wir springen teilweise zwischen den Jahren und den Themen hin und her. Nichtsdestotrotz ergibt sich im großen Ganzen ein sehr stimmiges Werk, dass ich gerne gelesen habe.

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