buchmaedchen_bloggt
Ich muss zugeben, mit Kanufahren kann ich nicht wirklich viel anfangen, nicht auf das Buch bezogen sondern privat. So war ich zumindest ein wenig skeptisch dem Buch gegenüber, ob es mich dennoch begeistern kann. Ich ging aber auch davon aus, dass der Aufdruck ‚Thriller‘ einem verrät, dass es nicht ums Kanufahren geht, sondern um Nervenkitzel. Wie erwartet rücken die Kanus eher in die hintere Ecke der Garage und werden eher zu einem Hobby, welches zwar Erwähnung findet, aber nicht ausschlaggebend ist. Unser Hauptprotagonist heißt Martin und ist im Grunde ein stinknormaler Kerl, was keineswegs negativ gemeint ist. Er ist mit Sabine verheiratet, hat keine Kinder, aber dafür ein Geheimnis: eine Affäre mit Julia. Abgesehen davon ist er noch in einem Kanuverein tätig und dieses scheint auch seine große Leidenschaft zu sein. Er ist sympathisch und äußerst realistisch. Er ist alles andere als perfekt, was dem Ganzen aber nur gut tut, denn er handelt wie ein 'echter' Mensch und wirkt dadurch real. Er handelt oft unüberlegt, vielleicht sogar hitzköpfig und lässt sich von seinen Gefühlen leiten. Ein ganz normaler Mensch also. Das mit dem ganz normal ändert sich aber schlagartig, als einer seiner Kanufreunde tödlich ‚verunglückt‘, und das auch noch beim Kanu fahren! Martin glaubt nicht an einen Unfall, obwohl es absolut keinen ernstzunehmenden Anhaltspunkt für Mord gibt. Die Polizei geht von einem Unfall aus, doch Martin ist stur und verdächtigt Manni. Denn der verunglückte war der Vorsitzende des Vereins, und nun rückt der stellvertretende Manni nach, welcher darüber alles andere als traurig zu sein scheint. Und dann wurde Manni auch noch gesehen, als er am Kanu rumgenestelt hat…. Dann stirbt auch noch ein weiterer, angeblich Selbstmord. Doch Manni wurde kurz zuvor vor dessen Haustür gesehen. Da platzt Martin der Kragen, er glaubt felsenfest an Mord, und Manni soll es gewesen sein. Viel mehr möchte ich inhaltlich gar nicht preisgeben, auch wenn ich noch einiges zu sagen hätte. Einige Seiten lang hatte ich auch allein Manni im Verdacht, denn mal ehrlich: Wenn Thriller draufsteht geht’s eigentlich ja nicht um Unfälle oder Selbstmord. Doch ab der Hälfte bekam ich ernste Zweifel, denn ich hatte plötzlich 3 mögliche Täter im Verdacht und habe darüber hinaus auch noch an Martins Geisteszustand gezweifelt. Denn er wirkte schon ziemlich verrückt, wahnsinnig und absolut besessen von seinen Mordtheorien. Ich wurde immer unsicherer, ob Martin nicht schlicht und ergreifend einen an der Waffel hat, und wenn nicht, wer denn nun ein wirkliches Tatmotiv hätte. Man spürt Seite für Seite wie Martin immer wahnsinniger wird, wie er entgleitet und völlig realitätsfern wird – zumindest meint man das. Am Ende war dann übrigens alles völlig anders als ich auch nur irgendwie erwartet hätte. Durch eine Gegebenheit, die ich nicht nennen will, wird man übrigens absolut gekonnt auf die falsche Fährte geführt. Und auch wenn ich gleich noch ein wenig meckern werde, was die Spannung angeht: diese Unsicherheit, die man beim lesen entwickelt, ist wirklich fantastisch. Das gehört vielleicht nicht unbedingt in eine Rezension, aber ich fand es unglaublich spannend dabei zuzusehen, wie jemand, der aus der Norm fällt (in diesem Fall Martin dem keiner glaubt) von jedem nahestehenden und auch von der Polizei absolut nicht ernst genommen wird. Eigentlich beängstigend, ich mag selbst nicht in eine derartige Situation kommen. So werden einem so einige menschliche Abgründe bewusst… Es geht eigentlich auch mehr darum, was solche Situationen mit einem Menschen machen können und weniger darum, wie der Fall wirklich ausgeht. Klar, ich wollte auch wissen wie es ausgeht, ob Martin einfach nur wahnsinnig ist oder wer denn nun der Mörder ist. Ich fand es einfach zu spannend die Entwicklung von Martin zu verfolgen. Und da wären wir eigentlich auch schon am Knackpunkt: ‚Weggetrieben‘ ist nicht wirklich etwas für eingefleischte Thriller-Fans, denn vieles läuft auf psychologischer Ebene ab, ohne jemals brutal oder typisch-Thriller zu sein. Das Buch macht einen einfach nicht fertig, mir fehlen die Thriller-typischen Elemente. Ich weiß tatsächlich nicht so recht wie ich erklären soll, was ich meine, aber ich versuche es mal ;). Wenn man beginnt einen Thriller zu lesen, erwartet man irgendwie Abscheulichkeiten, Blut, Psychoterror. Das ist alles nicht so richtig vorhanden, denn Psychoterror macht sich Martin nur selbst. Und Trotzdem ist das Ganze spannend, man will doch wissen ob Martin nun einen an der Waffel hat. Zum Stil: Ich hätte definitiv die Ich-Perspektive bevorzugt. Inhaltlich lässt sogar vieles darauf schließen, da man auch Einblicke in Martins Gedanken bekommt. Ich denke die Ich-Perspektive hätte das Mitfiebern enorm verstärkt, denn es werden eh nur Martins Erlebnisse erzählt, so dass nichts fehlen würde. Johannes Möhler schreibt übrigens auch pädagogische Fachliteratur, was einen wohl vermuten lässt, dass der Stil absolut trocken und langweilig ist. Gott sei Dank, dem ist nicht so. Der Stil ist wirklich seeeehr angenehm, ich konnte keine Fehler oder Ungereimtheiten entdecken (Was schade ist, denn er ist Lehrer und ich hätte es ihm ja gerne unter die Nase gerieben… :D) und der Stil passt sich auch den Situationen an. So wirken auch die Sätze in hektischen Momenten kurz und hektisch, was der Stimmung gut tut. Auch wenn es kein witziges Buch sein soll, gab es ein paar wenige Stellen bei denen ich derart lachen musste, dass ich sie wohl so schnell nicht mehr vergessen werde. Wird wohl nicht den Lachmuskel Jedermanns treffen, aber ich fand es gut, mal als Beispiel: "der Polizist lehnte sich zurück, hob beschwichtigend die Hände und zog irritiert die Augenbrauen hoch. Es waren Büsche. Theo Weigel wäre neidisch geworden.“ Eine Stelle im Buch stört mich dann doch sehr, denn es gibt eine Gegebenheit, die ich vom Verhalten her nicht als realistisch einstufe. Johannes Möhler hat’s aber wohl selbst gemerkt, denn Martin wundert sich über das Verhalten auch. Auch wenn ich wunderbar unterhalten wurde, kann ich nicht die volle Punktzahl vergeben. Das liegt einzig und allein daran, dass es ein Thriller sein soll, man sich unter einem Thriller aber einfach etwas anderes vorstellt. Wenn ich mich nicht so für menschliche Abgründe und Verhaltensweisen interessiert hätte, hätte es mir vielleicht sogar nicht gefallen. Und ich finde auch, dass der Klappentext einfach mehr Spannung verspricht, die so nicht gegeben ist. Ich kann mich grade nur schlecht zwischen 4 und 4,5 Eulen entscheiden, da dieses aber beinahe mein einziger Kritikpunkt ist, entscheide ich mich mit Ach und Krach für 4,5 von 5 Eulen und der Warnung, es nicht zu lesen, wenn man einen 'typischen' Thriller sucht. Ich finde einfach, ‚Weggetrieben‘ lässt sich enorm schlecht in eine Genresparte drücken.