jacquy
Der erste Erzähler dieser Geschichte ist OJ (Abkürzung, mit der in der App "Jodel" der Verfasser des ursprünglichen Beitrags markiert wird), der online nach Tipps fragt, nachdem er sich in einen Freund verliebt hat. Er ist schwul und er erzählt von seiner Angst vor Ablehnung und möglicher Diskriminierung aufgrund dessen. Dabei weist er auch den Leser immer wieder auf bestimmte Probleme hin und sensibilisiert dadurch ein wenig. Als ich das Buch entdeckt habe, hatte ich etwas Sorge, dass es komplett in "Jodel"-Form geschrieben sein würde, das ist aber glücklicherweise nicht der Fall. Größtenteils werden aus der Ich-Perspektive die Ereignisse geschildert, es gibt hin und wieder abgedruckte Chats und nur wenige "Jodel" um als Beispiel für das dortige Feedback zu dienen. Zu Beginn hat mir dieser Aspekt die Handlung noch zu sehr beeinflusst, aber später steht das glücklicherweise nicht mehr im Mittelpunkt. Toll fand ich, dass die zweite Perspektive irgendwann dazu kam, als man sich schon dringend gefragt hat, was ER von diesen Ereignissen hält und ob die beiden auf einer Wellenlänge sind. Durch die beiden völlig unterschiedlichen Charaktere wäre auch ohne die Kapitelüberschriften immer klar gewesen, wer gerade erzählt. Der Beginn des Buches war für mich noch etwas langsam und ich war unsicher, ob die Geschichte die ganze Zeit über mein Interesse würde halten können, aber das änderte sich rasch. Ehe ich mich versah habe ich vollkommen mitgefiebert, weil die unsicheren Annäherungsversuche so realistisch und echt wirkten, ganz anders als man es aus vielen Romanen kennt. Laut Klappentext handelt es sich hierbei um eine wahre Geschichte, was bedeutet, dass sie wohl auch von den Charakteren selbst geschrieben wurde und dementsprechend realitätsnah ist. Schön ist, dass es sich dadurch auch um einen Own Voices Roman handeln wird und die Autoren wirklich wissen, wovon sie sprechen. Auffällig ist dabei besonders, dass OJ bereits Erfahrungen mit Diskriminierung hat und dabei auch auf Situationen eingeht, in denen anderen ihre Mikroaggressionen* vielleicht gar nicht bewusst sind. Anders sieht das allerdings beim ER aus, der sich mit einer Freundin austauscht, die Schwule ganz offen fetischisiert, was ihn gar nicht zu stören scheint und er eher witzig findet. Sehr schade finde ich hier, dass das nicht angesprochen und problematisiert wird. Die Autoren verzichten auf ihr Honorar und 75% der Einnahmen des Buches gehen an das Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V. Fazit Nachdem ich hier nur leichte und witzige Unterhaltung erwartet habe, wurde ich völlig positiv überrascht. Eine absolut echt wirkende und sehr süße Geschichte über Unsicherheit und erste Schritte.