papierfliegerin
Aus gegebenen Anlass fange ich heute mal anders an: Meine Erwartungen waren relativ simple: ein Jugendbuch mit einem ordentlichen Einschlag „Drama“ [ähnlich wie John Green zum Beispiel]. Was ich bekam, war etwas völlig anderes, das ich bis heute nicht so richtig betiteln kann. Die Geschichte beginnt in einer Bar und dort treffen wir auf Robert und auf einen Kumpel, der Psychologe/Psychiater ist. Was mich bereits verwirrte ist, dass wir aus der Ich-Perspektive, aus Sicht des Doktors lesen. Damit hatte ich so gar nicht gerechnet – wirklich gar nicht. Und dann der zweite Schock: wir als Leser sind nur Dritter, quasi Außenstehender, der die Geschichte von Robert erzählt bekommt; denn genau das passiert: Robert erzählt seinem Freund, dem Psychologen (dessen Name ich schon wieder vergessen habe) die Geschichte, die auf dem Klappentext steht und wir verfolgen lediglich dieses Gespräch der Beiden. Dadurch blieb mir leider der Zugang zur Geschichte vor allem in Bezug auf die Charaktere und die Kulisse verwehrt. Das Buch ist keineswegs schlecht geschrieben; im Gegenteil, der Schreibstil wirkte anspruchs,- und niveauvoll. Teilweise kamen mir die Beschreibungen und Details aber zu aufgesetzt vor – verschachtelte Sätze, viele, spießige Details und so gewollt hochgestochene Umschreibungen vom den Kulisse verdorben mir irgendwie das Lesevergnügen. Mich hat das alles doch immer wieder ein wenig aus der Geschichte heraus katapultiert, weil es Sätze; sogar ganze Passagen gab, die ich mehrmals lesen musste. Ansonsten konnte ich dem Geschehen aber doch ganz gut folgen, hatte ein Bild vor meinem inneren Auge und verspürte eine winzige Portion Fernweh, während des Lesens. Alles in allem fühlte mich einfach wie ein Leser, der im Bett liegt und ein Buch liest, während ich mir gewünscht hätte, richtig abtauchen zu können. Dadurch, dass ich wie gesagt, keinen richtigen Draht zu den Figuren aufbauen konnte, fehlte es mir ein wenig an Mitfiebern. Alicia gefiel mir in Robert’s Erzählungen ungemein gut, sie stach aus der Masse an Buchfiguren, die ich im Laufe meiner Leser-Karriere kennenlernen konnte, total heraus und hob sich durch Eigenschaften, wie „frei“, „stolz“ und „unabhängig“ von den anderen ab. Ich fand die Vorstellung von ihr toll; freute mich auf jeden einzelnen Hinweis von ihr – und dann plötzlich kam sie persönlich ins Spiel und der imaginäre Heiligenschein, den ich ihr verpasst hatte, erlosch von einer auf die andere Sekunde. Sie wirkte fahl, weitestgehend langweilig und ich schaffte es überhaupt nicht, diese Person mit der Person aus Robert’s Erzählungen in Einklang zu bringen. Ja vielleicht war sie weiterhin nett .. freundlich.. aber gar nicht mehr so besonders, so voller Leben und so authentisch. Mit Robert verhielt es sich ein wenig anders, denn der war mir von Anfang an zu distanziert. Er erzählt immer nur, was er gemacht hat, was er fühlte, was er dachte, wie er sich veränderte; aber so richtig an kam das bei mir nicht. Allgemein sah ich ihn ein wenig als reichen Snob und egal wie ob auch erwähnt wurde, dass er das nicht ist, änderte sich nichts an dem Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte. Ich fand auch seine Handlungen innerhalb seiner Erzählungen teils wenig nachvollziehbar, fast schon unglaubwürdig, was der Sympathie zwischen mir und ihm wenig zu Gute kam. Nebenfiguren gibt es verhältnismäßig wenig; wenn man mal außen vor lässt, was Robert erzwählt, besteht das Buch eigentlich nur aus Alicia, dem Psychologen und eben Robert. Alle drei Charaktere erschienen mir wenig liebenswert; was mir auch jetzt im Nachhinein immer noch leid tut. Aber egal wie sehr ich es auch drehe und wende, der Eindruck will sich nicht verbessern. Da mich schon das Jugendbuch von Matthias Sachau in einer Tour überraschen konnte, war ich besonders auf die Grundidee und den Ablauf gespannt. Potenzial war auch auf alle Fälle vorhanden, bloß wurde es nicht so richtig ausgeschöpft. Schon die erste herbe Enttäuschung in Form der Erzählweise ließ meine Vorfreude enorm sinken; dann diese ständige Springen zwischen Gegenwart und Erzählung – dazu kam, dass mich die Emotionen, die durchaus vorhanden waren, gar nicht erreichen konnten. Ich kaufte weder Robert noch Alicia die Gefühle ab, besonders weil Robert sich auch immer wieder völlig gegensätzlich zu dem, was er sagt, verhält. Unglaubwürdigkeit ist leider so das einzige, was mir einfällt, wenn ich die Twists und Plots bewerten soll. Ich fand auch die aufeinanderfolgenden Geschehnisse nicht harmonisch und der ein oder andere Twists löste sogar ein leichtes Augenverdrehen bei mir aus. Ich kann leider nicht näher darauf eingehen, ohne zu spoilern, aber ich fühlte mich einfach weder gefesselt und empfand ich die Geschichte als spannend. Es passiert immer mal wieder was, aber sowohl Tempo als auch Stoff zum Mitfiebern fehlt. Gen Ende kehrte dann wieder ein wenig mehr Harmonie ein und es wurde tatsächlich doch spannend, und auch erst da, also auf den letzten 20-30 Seiten fieberte ich mit und war neugierig. Der Schluss bot also, im Vergleich zur restlichen Geschichte, ein regelrechtes Feuerwerk; auch wenn ich das bei anderen Büchern schon in ganz anderen Dimensionen erlebt habe. FAZIT: „Alicia verschwindet“ von Matthias Sachau konnte mich leider nicht von sich überzeugen. Die Geschichte plätscherte verhältnismäßig langsam dahin; der Erzählstil war nicht optimal und die Figuren blieben wenig liebenswert und waren stellenweise unglaubwürdig. Dazu kam, dass ich mit etwas ganz anderem gerechnet hatte und mit einer Handlung überrascht wurde, die ich zwar durchaus hätte mögen können, aber einfach nicht authentisch umgesetzt fand.