papierfliegerin
Die Thematik hat mich von Anfang an enorm gereizt; besonders weil es eben keine erfundene Geschichte ist; kein Hirngespinst, das sich jemand ausgedacht hat, sondern knallharte Realität – natürlich an gewissen Stellen abgeändert und verfremdet; aber eben keine Fiktion. Das allein hat das Lese-Erlebnis schon zu etwas besonderem gemacht. Der Einfall, einen drogenabhängigen Teenager ohne ärztliche Aufsicht, dafür mit einer Laien-Crew auf einen Segeltrip mitzunehmen: das hätte auch gut und gern ein Thriller werden können; das zumindest war mein erster Gedanke. Leider lief mir das alles aber lange Zeit viel zu glatt. Klar freut man sich rückblickend für die Figuren, dass es eben kein Drama, eine Turbulenzen gab; aber für den Leser entstand so doch ein gewisses Maß an Langeweile. Ich wartete einfach permanent auf die ersten Katastrophen, aber sie blieben in der ersten Hälfte komplett aus. Erst Anfang der zweiten Hälfte nimmt die Geschichte Fahrt auf und es wird spannend; teils sogar für wenige Seiten richtig rasant und mitreißend; ansonsten war es eher der allgemeine Ablauf und die Rückblicke in die Vergangenheit, die mich an das Buch fesseln konnten. Auch das Ende war in dieser Hinsicht kein Feuerwerk, aber es war schön zu verfolgen, äußerst emotional und von der Autorin unglaublich toll in Worte gefasst. Wo wir auch beim nächsten Punkt wären: dem Schreibstil. Schon nach den ersten Zeilen wird klar: das Augenmerk liegt definitiv nicht hier. Franziska Krafft erzählt die Geschichte genau so, wie bei einem Gespräch mit einer guten Freundin – von poetischen oder hochtrabenden Sätzen absolut keine Spur. Und trotzdem habe ich mir mehrere Stellen markiert, weil die Autorin so einfach und so simple in Worte fasst, wofür andere nicht mal ansatzweise fähig sind. Zugegeben, ich hatte anfangs noch ein wenig Probleme mit dem Stil und vor allem mit den ganzen Fachbegriffen rund ums Thema Segeln, doch es vergingen keine 5 Kapitel, da war ich schon ein riesiger Fan der Sprache und genoss es, wie schnell, leicht und einfach man durch die Seiten rauscht. Ebenfalls positiv überrascht hat mich die Gliederung. Wir sind nämlich nicht nur auf dem Segelboot, sondern erfahren auch einiges aus Franziska’s und vor allem Jonas‘ Vergangenheit. Die beiden Sichten, also Gegenwart und Damals, wechseln sich regelmäßig ab und gewährten mir einen tiefen Einblick in die deutschen Verhältnisse, den Ämter-Wahn und die Unwissenheit und Überforderung etlicher wichtiger Positionen wie Jugendämter, Gerichte, etc. Zu den einzelnen Figuren möchte ich mir im Groben und Ganzen gar kein Urteil bilden; denn dafür fehlt mir schlicht und ergreifend das Recht. Jeder handelt in Ausnahmesituationen anders und jemanden für seine Entscheidungen zu verurteilen, nur weil man sich selbst vielleicht anders entschieden hätte, wäre nicht richtig. Dennoch muss ich an dieser Stelle einmal meinen Hut ziehen vor Franziska. Diese Frau ist nicht nur mutig, motiviert und nicht klein zu kriegen; sie verfügt über eine Weitsicht, von der sich viele, ja quasi alle noch eine Scheibe abschneiden können. Sie geht mit einer so wohlbedachten, ruhigen Art und Weise an ihr Vorhaben heran, dass man als Leser nur beeindruckt ist. Außerdem war diese Frau unheimlich sympathisch und liebenswert und ich gönnte ihr von Herzen, ihren Sohn wieder für sich gewinnen zu können. Jonas ist natürlich kein Sympathie-Träger, aber das soll er auch gar nicht sein. Durch sein ADHS und seine schlimme Vergangenheit ist er natürlich sowieso besonders und nicht 0-8-15, aber ich fand, dass er durch seine enorm stille Art einfach ein wenig in der Masse an Figuren unterging. Gleichzeitig verstand ich natürlich auch, dass er eine schlimme Zeit hinter sich hat.. oder immer noch durchmacht.. dadurch fand ich ihn doch realistisch und absolut glaubhaft. Allgemein treffen wir hier auf einige Figuren, nicht nur Franziska und Jonas spielen eine Rolle, sondern auch Familie, Freunde und Bekannte unserer Protagonisten. So schloss ich Jonas‘ Brüder sehr ins Herz, fand Caro, seine Freundin, dagegen total unsympathisch und nervig und von Jonas‘ Vater fangen wir an dieser Stelle gar nicht an. FAZIT: Alles in allem war das Buch ein wirklich schöner Zeitvertreib mit einer schweren Thematik und mit den ein oder anderen langatmigen Stellen. Wer sich auf einen doch recht ruhigen, autobiografischen Roman einlassen kann, wird mit „Wendemanöver“ von Franziska Krafft und Katharina Gerhardt sicher seine Freude haben. Für mich war es kein Highlight, doch die Autorin überzeugte mich dennoch durch den auffallend einfachen Stil, die teils herzerwärmende Atmosphäre und vor allen Dingen mit ihrem eigenen Kampfgeist und dem eisernen Willen, das Beste für ihren Sohn herauszuholen.