papierfliegerin
Fangen wir erst einmal damit an, was ich erwartet habe: ich habe mich auf eine emotionale, gefühlvolle und vor allen Dingen dramatische Lovestory gefreut. Spannung stand auf dieser Liste nicht unbedingt weit oben, genau so wenig wie Action und Tempo. Stattdessen war es mir wichtig, in die damalige Zeit eintauchen zu können; zu sehen, wie das Leben zur Zeit des zweiten Weltkriegs in Russland ablief und welchen Problemen sich die Bewohner Leningrad’s stellen mussten. Allgemein war ich super gespannt auf die Stadt, auf die Sowjetunion, auf die Soldaten und natürlich auch auf Tatiana. Und was zur Hölle war Alexander’s großes Geheimnis? Ich begann also zu lesen und war schon nach kurzer Zeit unglaublich genervt von allem und jeden. Nicht nur, dass es unglaublich langweilig war; ich fand auch überhaupt keinen Zugang zur Geschichte, geschweige denn zu den Figuren. Ich quälte mich also durch die erste Hälfte und war kurz davor, das Buch einfach wieder abzubrechen. Ich verstand nicht, wie man so dumm handeln konnte; wie man Aussagen tätigen konnte, die so absurd waren, dass sich in mir alles sträubte und wie man in solch einer Situation so denken konnte. Nach gefühlt 200 Millionen Seufzern und Augenverdrehen war ich mit meinem Latein also bereits am Ende. Wie zur Hölle konnte man dieses Buch als Lieblingsbuch betiteln; was ja doch sehr viele tun. Und gerade, als ich dabei war, in Gedanken schon zu überlegen, was ich als nächstes lesen möchte; passierte irgendwas, das ich bis heute nicht benennen kann. Auf einmal packte mich die Geschichte; auf einmal war ich voll drin und las in jeder freien Minute. Binnen kürzester Zeit war ich dann auch vollends durch und kann es kaum erwarten, bis Band 2 bei mir einzieht (der auch schon bestellt ist). Natürlich gab es auch in der zweiten Hälfte mehrere Situationen, in denen die Figuren teils nicht nachvollziehbar handeln und mir gehörig auf die Nerven gingen; aber es störte mich längst nicht mehr so wie zu Beginn des Buches. Auch das Tempo ließ stellenweise etwas nach, aber auch das war absolut zu verschmerzen. Ich fieberte also ab der zweiten Hälfte wirklich enorm mit und fand die eingespeisten Fakten zum Leben zur Zeit des zweiten Weltkriegs total interessant, mitreißend und gut eingebaut. Die verschiedenen Schauplätze, die in dem Buch eine Rolle spielen, bringen Abwechslung in die Geschichte und vertreiben jegliche Form von Langeweile. Ich war wirklich positiv überrascht vom der zweiten Hälfte des Buches und das Ende.. das Ende brach mir Herz – super gewählt von der Autorin; ein enorm fieser Cliffhanger, der mich persönlich regelrecht dazu zwingt, weiterzulesen. Die Problematik mit den Figuren hatte ich oben ja schon einmal kurz angerissen. Ich tat mir einfach so immens schwer mit den Charakteren. Da passierten Dinge, die man als Mutter einfach nicht lesen will und egal, wie oft mir jemand sagt „damals war das halt so“ .. ich bin der festen Überzeugung, dass Liebe, Geborgenheit und Zusammenhalt sowohl damals als auch heute in eine funktionierende Familie gehören. Tatiana sah sich selbst dabei aber stets in der Rolle der Schuldigen, nie als das Opfer, das sie ja eigentlich war. Um mal ein Beispiel zu nennen: jemand trifft eine falsche Entscheidung, woraufhin ein anderer stirbt – Tatiana ist Schuld. Jemand säuft zu viel – Tatiana hat ihn dazu getrieben. Es gibt nichts zu essen – Tatiana ist Schuld. Ich verstand in keinster Weise, warum sich dieses 17-jährige Mädchen nicht mal zur Wehr setzte! Das machte sie in meinen Augen einfach nur unglaubwürdig, naiv und dumm. Erst als dann gewisse Twists eintraten, stellte sich dann auch Besserung ein; obwohl unsere Protagonistin ihre furchtbaren Angewohnheit, für alles und jeden verantwortlich zu sein, bis zum Ende nicht ablegte. War für mich einfach ein riesiges Hindernis, einen Draht zu ihr zu finden und obwohl es sich, wie gesagt, besserte, gab es bis zum Ende hin keinen Moment, in dem ich sagen konnte, ich habe nichts an ihr auszusetzen. Demnach gab es für mich auch keine Entwicklung, was ihre Person anging. Sie traf am Ende immer noch die gleichen dummen Entscheidungen, wie zu Beginn, sie war nur ein kleines bisschen mehr nachvollziehbar. Alexander, der männliche Protagonist dagegen hatte natürlich schon allein durch seine Erscheinung einen Stein bei mir im Brett. Klar, er ist Soldat, groß, muskulös und auch wenn das alles oberflächlich klingt, ich mochte ihn von Anfang an sehr gerne. Natürlich war auch nicht alles was er tat oder dachte zu 100% nachvollziehbar; aber hier kann ich mir durchaus vorstellen, dass die lauten Stimmen, die mir so oft zugerufen haben „das war damals halt so“, recht haben könnten. Alexander war halt unverbesserlich; hatte natürlich auch seine Ecken und Kanten, aber eben alles realistisch und einleuchtend. Was ich ja besonders an ihm mochte war sein Selbstvertrauen; das man stets nur bewundern kann; denn es kam überhaupt nicht arrogant oder hochnäsig rüber. Zu den Nebenfiguren sage ich nun bewusst nichts; weil ich wirklich durch die Bank weg alle richtig unsympathisch und nicht weiter verfolgenswert fand. Es gab zwar den ein oder anderen Lichtblick; aber selbst die konnten das ganze nicht mehr retten; sondern lediglich ein wenig abschwächen. Allein wenn ich an Dimitri denke.. selten einen solchen Antagonisten kennen gelernt. Dafür kann und möchte ich den Schreibstil der Autorin mal wertschätzen. Das Buch hat sich einerseits enorm gut und vor allem schnell lesen lassen und war dabei auch noch leicht verständlich. Andererseits war er doch auch anspruchsvoll und der Thematik angepasst. Die Sprache hat toll zu der damaligen Zeit gepasst und alles wirkte rund und vor allem realistisch. Ebenfalls positiv fiel mir die Gliederung auf: das Buch ist nämlich in einzelne Kapitel unterteilt, die dann aber nochmal in einzelne Passagen unterteilt sind. Das sorgt für Schnelllebigkeit, wenn man das so nennen möchte – man denkt sich als Leser einfach zum Ende eines jeden Kapitels „ach, eins geht noch“ und so wird man allein dadurch total an das Buch gefesselt. Fand ich total abwechslungs,- und einfallsreich. FAZIT: „Die Liebenden von Leningrad“ von Paullina Simons war gerade am Anfang wirklich nicht meins. Schon alleine, dass ich es zwei Mal abgebrochen habe, spricht wohl deutlich für sich. Zum Glück bin ich aber letztlich doch dran geblieben; denn das hat sich gelohnt! Spannend, dramatisch und vor allem informativ erzählt die Autorin die Geschichte von zwei Liebenden, die allerlei Problemen trotzen müssen – allen voran der zweite Weltkrieg. Leider gab es aber weiterhin einige Schwächen, die mich zwar im Lesefluss nicht aufhielten, aber doch negativ ins Auge stachen. Ich habe lange überlegt, wie ich bewerten soll; aber in Anbetracht dessen, dass ich es kaum erwarten kann, Band 2 in den Händen zu halten, habe ich mich für folgende Bewertung entschieden: 4 Sterne.