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naibenak

Posted on 13.2.2020

„[...], nachdem er wohl längere Zeit mit geschlossenen Augen darüber nachgedacht hat, dass der Konjunktiv II abgeschafft werden sollte. Der Konjunktiv II mit seinen aufgeblasenen und komplizierten >>Wenn<<-Konstruktionen ist nichts als eine widersinnige Verschwendung von Lebenszeit.“ (S.458) Und Tom Holler weiß, wovon er denkt. Er kann darüber ein Lied singen. Nein, eher auf dem Flügel spielen, den Marc ihm geliehen hat... Tom ist frisch getrennt von seiner Frau Hedda und fällt – wieder einmal – in ein tiefes Loch. Seine Jazz-Band, das „mare-Quartett“ zieht ihn vorübergehend aber heraus, denn sie haben eine Italien-Tour zu spielen. Auf dem Weg nach Neapel kommen Tom die Erinnerungen. Er denkt an Marc - seinen besten Freund, an Betty – seine heimliche große Liebe (heimlich, weil sie mit Marc zusammen war) und an furchtbare Ereignisse in der Vergangenheit, die zur Trennung dieser Freunde geführt haben. Nun hat sich Betty nach all den Jahren gemeldet und will Toms Konzert in Neapel besuchen, wo sie inzwischen lebt... Dieser Roman handelt von Freundschaft, von Liebe, von Verlust und Trauer, vom Kämpfen und Aufgeben, sich arrangieren, von tiefen Gefühlen und Ängsten und von ganz viel Musik. Jazzmusik. Aber auch Schumann, Schubert, Mahler... Die drei Musikstudenten Tom, Marc und Betty haben sich in Berlin zusammengefunden, um sich gemeinsam mit anderen Musikern in der Musik zu verwirklichen. Freundschaften entstehen, Liebschaften kommen und gehen. Die Beziehungen zueinander werden komplizierter bis es zu einem dramatischen Ereignis kommt. Überwiegend aus der Sicht Tom Hollers schreibt die Autorin mit enormem Einfühlungsvermögen über seine Gedanken, Gefühle und Befindlichkeiten. Sie durchleuchtet Toms Geschichte in oftmals poetisch-philosophischen Exkursen über die Liebe, das Leben, die Musik, den Tod. Monika Zeiner wird nicht müde, immer neue, wunderbar passende Bilder zu (er-)finden. Es ist eine sich eher langsam entwickelnde und handlungsarme Geschichte, sie lebt aber von und mit einer intensiven Auseinandersetzung mit diesem Hauptcharakter Tom Holler und seinem Leben. Ebenfalls schreibt Monika Zeiner aus Betty Morgenthals Sicht, aber deutlich weniger. Diese Abschnitte haben mehr erzählenden Charakter und zeigen, wie ihr Leben seit damals verläuft und wie sie sich dabei fühlt. Warum also ihr Anruf bei Tom nach all den Jahren? Werden sie sich sehen? Und wenn ja, was dann? Wenn nicht, warum? Und dann ist da dieser Marc Baldur – das Kompositionsgenie. Der Partner von Betty, der beste Freund von Tom. Der Hauptstern am Firmament, um den die Planeten kreisen... Trotz langsamer Erzählweise und insgesamt eher wenig Handlung nimmt der Roman mehr und mehr an Fahrt auf, denn als Leser ist man immer gespannter auf das, was damals wirklich passiert ist und auf das, was eventuell noch kommen mag. Ich habe mich ganz und gar in Tom hineinversetzen können, wenn ich auch nicht alles gutheiße, was er tut oder nicht tut. Aber dadurch habe ich schließlich mitgefiebert und auch mitgelitten. Oh ja ;) Bei Betty ist es mir ganz ähnlich ergangen. Fazit: „Die Ordnung der Sterne über Como“ ist eine poetische, philosophische und bildgewaltige Charakterstudie, die intensiv und sehr authentisch über das Leben, über Freundschaft, Liebe, Tod und Musik erzählt und dabei keinen Moment langweilig wird. Zu großen Teilen sehr melancholisch, aber gleichzeitig von enormer Schönheit. Ein Roman, den ich nur ungern beendet habe und der noch lange nachhallen wird. Eines der schönsten Bücher, die ich bisher gelesen habe.

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