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naibenak

Posted on 13.2.2020

„Bergsteigen ist eine rauhe Lektion in Philosophie. Doch das Gefühl, das jemanden überkommt, der endlich am Ende des Wegs ankommt und zu seinen Füßen die Welt liegen sieht, aus der er kommt und in die er sehr schnell wieder hinabsteigen muss, ist unversehrte, reine Freude. Mir schien es immer wieder so, als könne man in solch unmenschlichen Gegenden in höchstem Maß jene menschlichen Gefühle empfinden, die unser Leben tragen und rechtfertigen, auf wunderbare Weise von dem Schmutz befreit, den die Welt ihnen sonst auflädt.“ Dies ist ein Zitat – nicht aus „Acht Berge“, sondern aus einem Buch, welches ich unmittelbar im Anschluss gelesen habe: „Die Kostbarkeit des flüchtigen Lebens“ von Philippe Claudel. Welch ein wunderbarer Zufall (?) ist es doch, dass in diesem Zitat genau bechrieben wird, was mir Paolo Cognetti in „Acht Berge“ eindrücklich erzählt hat. In seinem sehr autobiografisch inspirierten Roman beschreibt Cognetti die Jungen-, später Männerfreundschaft zwischen Pietro und Bruno. Pietro verbringt seine Sommer mit der Familie in den italienischen Bergen – in Grana. Sein Vater ist passionierter Bergsteiger und nimmt Pietro schon früh mit hinauf. In den Bergen lernt Pietro den gleichaltrigen Bruno kennen, der seit jeher dort lebt. Gemeinsam erleben sie aufregende Sommer, in denen die beiden Jungen die Bergwelt erkunden. Später trennen sich die Wege: Pietro studiert in der Stadt und wird Dokumentarfilmer. Er kommt rum in der Welt, lernt verschiedene Bergwelten und -völker kennen. Bruno bleibt wo er ist, lernt ein Handwerk und verlässt seine Heimat nicht. Trotzdem kreuzen sich die Wege dieser ungleichen Männer wieder, denn sie haben einiges gemeinsam: ihre unerschütterliche Verbundenheit mit der Natur, ihre Liebe zu den Bergen und zum Bergsteigen und ihre Freundschaft. Cognetti erzählt leise und mit Bedacht. Er malt wunderbare Landschaften mit seiner Poesie, lässt auf diese Weise traumhafte Naturbilder auf mich wirken, dass ich mich so manches Mal selbst auf dem Gipfel über den Wolken wähne und „eins“ bin mit der Welt. Aber nur beinah. Denn... ganz und gar kann man dieses Gefühl niemals nachempfinden, solange man nicht selbst einen Gipfel erobert hat. Auch dies macht Cognetti eindrucksvoll deutlich. Die Art und Weise, wie der Autor das Leben dieser Männer und ihre Freundschaft beschreibt, ist unheimlich gefühlvoll, respektvoll, ehrlich. Manchmal wehmütig. Verzweifelt. Ein bisschen stolz. Und immer voller Liebe. Jeder sucht auf seine (teils andere) Weise das Glück, das zum überwiegenden Teil in der Rauhheit, Einfachheit und Schönheit der unberührten Natur verborgen liegt. Sanft, langsam und doch tief berührend schreibt Cognetti über eine Heimat in uns und die Suche danach. Mit einer Intensität, die mich umgehauen und verzaubert hat. „Die Landschaft sah aus wie die von Grana, und während der Fahrt fiel mir auf, dass sich alle Berge irgendwie ähneln. Trotzdem hatten diese hier nichts, was mich an meine eigene Vergangenheit oder an Menschen, die mir nahegestanden hatten,erinnerte, und das war ein großer Unterschied. Denn ein Ort bewahrt immer auch die eigene Geschichte, damit man sie bei jedem Besuch auf's Neue Revue passieren lassen kann. Und solche Berge kann es nur einmal im Leben geben. Im Vergleich dazu sind alle anderen bedeutungslos, sogar der Himalaya.“ (S.230) Fazit: LESEN! UNBEDINGT!

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