Bris Buchstoff
Wie das so ist 1916 wurde in Zürich eine Kunstrichtung geprägt, die sich gegen die zeitgenössische Kunst, die Gesellschaft und deren Wertesystem richtete. Über die Jahre des ersten Krieges hinweg verbreitete sich diese Kunstform, die zunächst auch gängige Kunstformen parodierte, rasant, um gegen Nationalismus und die allgemein herrschende Kriegsbegeisterung zu revoltieren. Der DADAISMUS gilt auch heute noch als pazifistisches Manifest und zeigt auf eindrückliche Weise, dass man von gewissen Dingen kaum sinnvoll sprechen kann. Weshalb er mir bei meiner Lektüre von Kurt Vonneguts Klassiker „Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug“ immer wieder in den Sinn kam, das soll im Folgenden geklärt werden. Kurt Vonnegut – ein Name, der mir immer wieder in pazifistischen Kreisen entgegenschallte, sein Roman „Schlachthof 5“ ein Kultbuch in den entsprechenden Kreisen. Lange habe ich die Lektüre vor mir hergeschoben, weil mir das Thema, die Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945, doch einiges an Respekt einflößte. Hätte ich mich tatsächlich früher schon eingehender mit dem Buch beschäftigt, anstelle mich von meinem gefährlichen Halbwissen abhalten zu lassen, wäre mir so manches Licht ein wenig früher aufgegangen. Glücklicherweise habe ich mir dieses Glanzstück der amerikanischen Literatur und Postmoderne nicht gänzlich entgehen lassen. Ein Vergleich der früheren Ausgabe mit der 2016 von Hoffmann & Campe in neuer Übersetzung durch Gregor Hens, der auch ein überaus erhellendes und kluges Nachwort beigesteuert hat, wäre sicherlich nicht uninteressant. Vonnegut hat bekannterweise den Luftangriff auf Dresden, der in mehreren Wellen vom 13. bis zum 15. Februar 1945 stattfand, als Kriegsgefangener in den Kellerräumen des titelgebenden Schlachthof 5 überlebt. Doch erst 1969 verarbeitete er – wenn man das so nennen kann – diese Erlebnisse auf ganz neue und eindrucksvolle Art und Weise in seinem Buch, das über einen Genremix verfügt, der mehr als außergewöhnlich zu nennen ist. Im Mittelpunkt steht Billy Pilgrim, ein traumatisierter, in Kriegsgefangenschaft geratener Soldat der US-Armee, der sich nach den Ereignissen in Dresden immer wieder auf Astralreisen begibt, die ihn komplett aus Zeit und Raum reißen. Er erlebt somit nicht nur Vergangenes, sondern in Folge einer Entführung durch Außerirdische auf den Planeten Tralfamador auch Zukünftiges, da die Tralfamadorianer vier Dimensionen kennen. Auf Tralfamador wird er gemeinsam mit einer Menschenfrau in einem Zoo ausgestellt. Die Landschaft dort beschreibt er als Mondlandschaft und Augenzeugenberichten zufolge sah der Großteil von Dresden nach dem Feuersturm genauso aus: wie eine Mondlandschaft. So verwebt Vonnegut Science-Fiction mit schwarzem Humor, metaphysischen Elementen wie Zeit- oder Astralreisen und bringt durch sich immer wiederholende Elemente eine Metafiktionalität ein, die gerade an inhaltlich besonders erschütternden Stellen durch ihre bewusst lakonisch wirkende Ausführung starke Kontrapunkte setzt. Wie das so ist. Aber nicht nur die Bombennächte in Dresden beschäftigen Billy, auch weitere einschneidende Erlebnisse seines Lebens werden aufgezeigt. Vonneguts Kniff, sich mehrerer Genres und literarischer Stile zu bedienen, zeigt auf äußerst eindrucksvolle Weise, wie sich Menschen, die solch starke Traumata, gerade durch Kriegserlebnisse, erfahren mussten, wohl fühlen dürften: entwurzelt, nicht mehr in ihrer Mitte, nach außen hin vielleicht gerade noch gefasst, doch innerlich zerrissen. Eine unschlagbare Darstellung posttraumatischer Belastungsstörungen, die sich durchaus unterschiedlich bemerkbar machen können. Auch in Billy fühlt man so etwas wie eine gewisse emotionale Taubheit, seine Astral- oder Zeitreisen sind mit Flashbacks zu vergleichen. Vonnegut war zeit seines Lebens Pazifist und hat sich 1969 bewusst dafür entschieden mit Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug ein Antikriegsbuch zu schreiben. Seine Sprache ist eher einfacher gehalten, was wunderbar zur Jugend des Protagonisten passt, der durch die grausame Welt des Krieges nur so dahinstolpert. Die satirischen und oftmals auch wirklich witzigen Passagen verdrängen die traumatischen Erlebnisse nicht gerade, doch machen sie die wirklich empfehlenswerte Lektüre um eine weitere Nuance reicher. Schlachthof 5 war gerade für die 68er-Generation ein Kultbuch. Damals junge Männer empfanden es quasi als befreiend, dieses postmoderne Werk lesen zu können. Ein Klassiker schlechthin, der jetzt in einer fundierten Neuübersetzung sehr gut lesbar auch wieder als gebundenes Buch auf dem Markt ist. Gott schenke mir die Gelassenheit, Die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut. die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine immer vom anderen zu unterscheiden.