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buecher_rauschen

Posted on 12.2.2020

Bereits die ersten beiden Bücher von Maja Lunde konnten mich absolut begeistern und "Die letzten ihrer Art" steht dem in nichts nach. Empfehlen würde ich aber, dass man auf jeden Fall "Die Geschichte des Wassers" vorher liest, da das Buch Spoiler dazu enthält. Erneut überzeugt sie mit ihrer realistischen Handlung, klarer Sprache und lebendigen Protagonisten. Wieder wählt sie die Erzählweise aus drei verschiedenen Zeiten, jeweils mit der Ich-Perspektive der Protagonisten. In der Vergangenheit begnegnen die Leser*innen diesmal dem Russen Michail, der sich auf die Suche nach dem Urpferd begibt. Seine Suche ist aber nicht nur die nach den Tieren, sondern in erster Linie die nach sich selbst. Gelungen fand ich hier, dass man anhand seiner Ausdrucksweise und seiner Ansicht wirklich gemerkt hat, dass er im 19. Jahrhundert lebt. Auch wenn ich einigen seiner Sichtweisen (insbesondere zum Thema Frauen) nicht zugestimmt habe, mochte ich ihn doch gerne. Die Entwicklung, die er selbst während des Buches durchmacht, fand ich nachvollziehbar dargestellt. In den 1990ern spielt der Handlungsstrang von Tierärztin Karin, die die Wildpferde aussiedeln möchte. Auch sie ist ein sehr kontroverser Charakter, mehr auf die Tiere als auf die Menschen in ihrer Umgebung bedacht. Dadurch wurde sie ebenfalls kontrovers und Rückblenden in ihre Kindheit haben vieles noch einmal klarer gemacht. Sie macht von allen Figuren am wenigsten Entwicklung durch, was aber aufgrund ihres Charakters durchaus logisch erklärt wird. Der dritte Handlungsstrang spielt in der Zukunft und wir begleiten Eva und ihre Tochter Isa, die im durch den Klimawandel unbewohnbar gewordenen Norwegen leben. Eva ist eine starke Protagonistin, aber auch sie ist aufgrund ihrer Handlungen eine schwierige Person. Nichtsdestotrotz habe ich sie wegen ihres Kampfgeistes ins Herz geschlossen. Dieser Handlungsstrang war auch derjenige, der mich am meisten bedrückt hat. Während bei den anderen beiden Hoffnung zu spüren war, war es hier geprägt von Hoffnungslosigkeit. Mit dem erschreckenden Zukunftsszenario, das sie hier zeichnet, hat Maja Lunde mich erneut zum Nachdenken gebracht und lässt mich gleichzeitig hoffen, dass sie eine sehr dystopische, schwarzmalerische Version der Zukunft zeichnet. Die Handlung ist in allen drei Strängen eher ruhig gehalten. Es gibt wenige überraschende Wendungen, es gibt wenige schockierende Ereignisse. Langweilig wurde es aber keineswegs. Ich habe gerne die Geschichte der drei Protagonisten verfolgt, und vor allem mit Eva mitgefiebert, welche Entscheidung sie treffen würde. Gelungen war auch die Interaktion der einzelnen Figuren untereinander. Obwohl Maja Lunde die Ich-Perspektive gewählt hat, erschienen mir auch die Nebenfiguren sehr lebendig - allen voran Karins Sohn Mathias und Evas Tochter Isa. Ganze Arbeit geleistet hat sie - und die Übersetzerin Ursel Allenstein - auch mit dem Schreibstil. Zwar steht in der Fußzeile ebenso wie am Kapitelanfang jeweils der Name des erzählenden Protagonisten, das habe ich aber gar nicht gebraucht. Der Schreibstil grenzt alle drei deutlich voneinander ab. Insgesamt ist "Die letzten ihrer Art" ein Buch, das mich auf ganzer Länge überzeugen konnte und geprägt ist von Kontroversen. Nicht nur wegen der Figuren, deren Handlungen nicht immer richtig sind, sondern vor allem wegen der Gefühle, die es in mir ausgelöst hat. Das Buch ist berührend und bedrückend, erschreckend und emotional, hoffnungslos und hoffnungsvoll. Es macht das Thema Artensterben greifbar und ich wünsche mir, dass es noch viele Leser*innen mehr erreicht.

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