Profilbild von Mila

Mila

Posted on 11.2.2020

Ich bin absoluter Podcast-Fan und im Zuge dessen bekennender Hacki, also Anhängerin des Podcasts "Gemischtes Hack" von Felix Lobrecht und Tommi Schmitt. Dadurch bin ich auf Felix Lobrechts "Sonne und Beton" gestoßen, das ganz anders ist, als Lobrecht-Fans es zunächst erwarten. Wir begegnen Lukas, 15 Jahre alt, der in einem Neuköllner Plattenbau lebt, und begleiten ihn und seine Freunde für ein paar Wochen im Sommer. Für mich, die aus einer privilegierten Familie stammt, brav und angepasst, bietet Felix Lobrecht durch Lukas einen Einblick in ein wahrscheinlich gewöhnliches Neuköllner Leben mit Schlägereien, Alkohol und anderen Drogen. Ich kenne diese Situation nur sehr vage, hautptsächlich von Klischees über "diese Asis". Lobrecht skizziert Lukas als vernünftigen Jungen, der sich aber leicht beeinflussen, von seinen Kumpels mitziehen und zu problematischen Situationen überreden lässt. Dabei wird deutlich, dass den Jungen einfach hundelangweilig ist, sie unterfordert sind und nicht aus Böswilligkeit handeln. Die Geschichte ist geprägt von einem rohen Schreibstil mit Berliner Jugendslang in den Konversationen. Lobrecht erzählt ungeschönt und kurzweilig. Gerade seine Erzählstimme (ich hörte das Hörbuch) bringt die Atmosphäre noch näher. Viele Rezensierende kritisieren, dass in "Sonne und Beton" keine Identifikationsfigur gegeben ist und das Buch keine Message bringt, dass die Protagonisten unverständlich handeln, dass es keinen Spannungsbogen gibt und die Geschichte nur an der Oberfläche bleibt. Das trifft alles zu. Allerdings sind das genau die Punkte, die "Sonne und Beton" ausmachen: Lukas und seine Kumpels langweilen sich, ihr Leben ist nicht spannend und aus der Öde heraus machen sie halt irgendwas. Lukas kennt seine Kumpels nicht mal richtig und kann deshalb in der Ich-Erzählerperspektive nicht erklären, warum diese so handeln wie sie handeln. Die Jungs sind ziellos und so ist es die Geschichte. Sie ist das echte Leben. Fazit: "Sonne und Beton" offenbart einen Einblick in ein mir unbekanntes Leben, wie es wohl unzählige Jugendliche führen. Felix Lobrecht schreibt authentisch über den sozialen Brennpunkt, in dem auch er aufwuchs. Ich fand es schön, für ein paar Wochen an Lukas' Leben teilzuhaben und vor Augen geführt zu bekommen, wie privilegiert ich bin und welch großartige Unterstützung ich erfahre. "Sonne und Beton" empfehle ich uneingeschränkt weiter.

zurück nach oben