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loewenzahnmaedchen

Posted on 11.2.2020

Wie du vielleicht schon weißt, mag ich die Buchreihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ sehr gern. Zum einen weil ich mich gern mit den vergangenen Zeiten beschäftige, zum anderen weil mich die Leben der Frauen, die oftmals im Schatten ihren Männer und Väter stattfanden, faszinieren. Außerdem finde ich es toll, wenn Geschichten auf wahren Begebenheiten beruhen, auch wenn natürlich immer ein wenig Fiktion im Spiel ist. Der Titel ist erstmal nicht allzu spektakulär, da gefällt mir der Originaltitel um einiges besser, denn dieser erschließt sich erst im Laufe der Handlung. Nichtsdestotrotz passt der Titel sehr gut zur Handlung und dem Leben von Ida Chagall, vielleicht sogar zu gut. Die Oberflächlichkeit, die vom Titel ausgeht, spiegelt auch die Beziehung und die Empathie von den Mitmenschen Idas und die Denkweise ihres Vaters dem großen Marc Chagall wieder. Das Cover mochte ich super gern. Es reiht sich hervorragend an seine Vorgänger beziehungsweise die anderen Bücher dieser Reihe ein. Auch wenn man die Bücher alle getrennt voneinander lesen kann, da in jedem Buch eine Frau beleuchtet wird, sind sie doch zusammenpassend, denn jede Frau kämpfte für das gleiche – ihr eigenes Leben und Anerkennung – deswegen ist es von Vorteil, dass man schon auf Anhieb erkennt, dass die Bücher zusammengehören. Außerdem sieht das auch später im Bücherregal schöner aus. Jetzt aber erstmal genug zu den Oberflächlichkeiten, wir stürzen uns mal in die Geschichte. Einige der Bücher aus dieser Reihe empfand ich zwischenzeitlich als langatmig, viel zu langatmig, bei Idas Leben und Erzählungen hatte ich jedoch das Gefühl gar nicht hinterherzukommen – Pause und ein eventueller Stillstand unmöglich. Gerade das faszinierte mich an ihrem Leben besonders, denn sowas kannte ich noch nicht. Mit Marc Chagall hatte ich noch nicht allzu viele Berührungspunkte, ich glaube wir haben ihn mal ganz kurz im Kunstunttericht in der Grundschule behandelt, aber das ist schon ewig her, sodass ich eigentlich komplett unwissend in die Geschichte startete. Du kennst das ja vielleicht selbst, durch die Medien, die Gemälde oder Theaterrollen entsteht in deinem Kopf ein Bild des dahinterstehenden Künstlers, ein ziemlich genaues sogar. Es ist schwer oftmals dahinter den ganz normalen Menschen, wie dich und mich zu sehen. Das ist vielleicht ein Grund, weswegen ich die Bücher lese, um einen Einblick hinter die Fassade zu erlangen. Im Laufe der Geschichte wandelte sich mein Bild zu Marc Chagall immer wieder. Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich ihn nicht einschätzen kann – gar nicht, zwischenzeitlich dachte ich es, aber eigentlich konnte ich es nicht. Aber nun zu Ida unserer eigentlichen Protagonistin, deren Leben aber immer irgendwie an der Seite ihres Vaters stattfand, ohne dass sie es immer wollte. Idas Geschichte beginnt zum Ende ihrer Jugendzeit. Doch beim Lesen denkt man gar nicht, dass sie schon so groß ist, vielmehr an ein kleineres Kind. Sie wird von ihren Eltern ziemlich stark bevormundet, lebt isoliert bei ihnen und einen Kontakt zur Außenwelt besteht kaum. Ihre Eltern haben Angst. Angst, sie zu verlieren, aber auch vor Anfeindungen. Ida ging deswegen nie zur Schule, sondern wurde zu Hause unterrichtet. Freunde hat sie somit auch nicht. Dafür wird sie von den Künstlerfreunden ihres Papotschkas angehimmelt und bewundert. Der Leser ist Zeuge ihres Ausbruchs in die „Außenwelt“, denn Ida darf zum zweiten Mal in ein Ferienlager für russisch-jüdische Kinder/Jugendliche fahren. Dieses Mal mit einem gewissen Hintergedanken, denn beim letzten Ferienlager traf sie Michel und ihn will sie dort wiedersehen. Das dieses Lager und vor allem Michel ihr Leben folgenschwer belasten werden, weiß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sie verlebt dort eine tolle und vor allem unbeschwerte Zeit, ohne die Argusaugen ihrer Eltern. Doch zurück zu Hause in Paris ändert sich auf einmal ihr gesamtes Leben und damit auch mein Bild ihrer Eltern. Ich empfand Marc und Bella Chagall als sehr fortschrittliche Familie, denen zwar Bräuche wichtig sind, aber noch viel wichtiger das Wohl Idas und dass sie trotz ihrer Isolation zu einer jungen und emanzipierten Frau heranwachsen darf. Da täuschte ich mich jedoch, denn auf einmal waren den Eltern Bräuche, Regeln und Rituale wichtiger, als das Wohl ihrer kleinen Idotschka. Das lag eventuell daran, dass sie die 18-Jährige immer noch als ein kleines Mädchen gesehen haben und mit dem augenscheinlich rasanten Erwachsenwerden nicht klarkamen. Ida versucht trotz der Hindernisse und Hürden ihr neues Leben zu leben. Sie hilft weiter ihrem Vater, Marc Chagall bei der Arbeit und beim Verkauf der Bilder. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte sich ihr Vater noch viel mit der immer schlimmer werdenen Machtergreifung Hitlers und der Politik. Später als es brenzlig wird, ignoriert er alle Warnungen, sodass er nur durch Glück, Kontakte und Idas Handeln nach Amerika ausreisen darf und damit den Krieg überlebt. Idas Mutter wirkt immer glücklich, trotzdem fühlt sie sich eingeengt und hat insbesondere als ihre endlich heile Welt, die sie solang gesucht hat ins Wanken gerät große Probleme und fällt immer wieder in eine depressive Phase. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich das Familienverhältnis. Aus Ida wird eine Mutter und ihre eigentlichen Eltern werden zu Kindern und das zieht sich bis zum Ende der Handlung weiter durch. Ida stellt sich immer wieder hintenan, versucht es jeden recht zu machen und vergisst dabei sich selber. Ihre große Liebe fand sie erst sehr spät, da sie zu sehr mit dem Kram ihrer Eltern beschäftigt war. Als Idas Mutter nicht mehr am Leben ist, fängt Marc Chagall immer wieder Affären mit seinen Haushälterinnen an, eine heiratet er sogar, die ist jedoch nur auf sein Geld aus und verbannt Ida weitestgehend aus dem Leben ihres Vaters. Für Ida Fluch und Segen zugleich. Ich bewundere Ida dafür, dass sie sich immer hintenangestellt hat, sich und ihr Leben vernachlässigt hat, um ihren Eltern beizustehen. Eine Charaktereigenschaft, die ich ihr aufgrund ihrer verwöhnten und überbehüteten Kindheit so gar nicht zugetraut hätte. Sie ist zielstrebig, organisiert und immer für ihre Mitmenschen da. Ihr im Schatten geführtes Leben war nicht einfach und ich würde gern wissen, ob sie am Ende ihres Lebens zufrieden und glücklich war, ohne bereut hat sich jahrelang zu vergessen. Aber diese Frage werde ich nicht beantwortet bekommen. Idas Papa Marc bleibt nicht einschätzbar. Vielleicht war er einfach durch und durch ein Künstler, dessen Leben nicht durchschaubar war. Der Schreibstil war recht einfach zu lesen, das gefiel mir zur Abwechslung sehr gut, da man sich so viel intensiver auf die Handlung konzentrieren konnte und nicht auf die einzelnen Worte achten musst, sondern das Werk im ganzen betrachten konnte. Ich gebe dem Buch 5 von 5 Schweinchen und kann es dir als Spätsommerlektüre empfehlen. Es lässt sich nämlich hervorragend am Strand lesen, da habe ich es jedenfalls gelesen.

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