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papierfliegerin

Posted on 11.2.2020

In erster Linie dreht sich alles um Kate Priddy, einer jungen Frau, die in der Vergangenheit bereits einiges schlimmes erleben musste und deshalb durchaus so ihre Probleme mit sich herum trägt. Als sie die Chance bekommt, für ein halbes Jahr in die Wohnung ihres Cousins Corbin in Boston zu ziehen, nimmt sie all ihren Mut zusammen und bricht ihre Zelte vorrübergehend in London ab und lässt sich auf das Angebot ein. Kate glänzte in erster Linie durch ihre enorme Unsicherheit, die greifbar und sehr glaubwürdig rüber kam, die aber gleichzeitig auch für eine gewisse Distanz zwischen mir und ihr sorgte. Bei Kate wusste ich nie so recht, ob sie gerade träumte, ob sie wach war, ob sie halluzinierte oder ob sie schlicht und ergreifend verrückt wurde aber trotz all ihren Schwächen, ihren Fehlern und ihren Problemen beneidete ich sie zutiefst. Ihr Mut und ihr starker Wille waren beeindruckend und ich verwette alles darauf, dass es nicht viele Menschen gibt, die in so einer Situation so handeln würden bzw. so gehandelt hätten, wie Kate es tat. Peter Swanson hat mit dieser Frau eine unglaublich interessante Persönlichkeit geschaffen, und gerade gen Ende war die Entwicklung von Kate unglaublich realistisch und echt und mehr als gelungen. Zahlreiche Details über und aus ihrem Leben rundeten sie dann gänzlich ab. Mich störte auch dieses Distanz nicht; im Gegenteil; dadurch dass ich sie einfach nicht so recht einschätzen konnte, fieberte ich umso mehr mit und war dementsprechend neugierig, was denn nun Wahn, Traum und was Realität war. Corbin, den man durchaus auch als Protagonist bezeichnen kann, gefiel mir ebenfalls sehr gut. Auch er war sehr undurchsichtig und nicht großartig sympathischer als Kate; aber mindestens genau so interessant. Er hatte einige Facetten, viele, fast unzählige Probleme und Macken, aber auch einiges, was man durchaus mögen konnte an ihm. Besonders der Teil über seine Vergangenheit hat mich maßlos entsetzt, schockiert, sprachlos gemacht – aber auch genau so sehr gefesselt. Für mich waren die Charaktere in der Geschichte wirklich gut ausgearbeitet und dargestellt. Peter Swanson legt nicht viel wert darauf, seine Figuren liebenswert und überaus sympathisch zu gestalten, dafür sind sie interessant und vielschichtig, mit jeder Menge Details und Informationen ausgestattet, was mich viel mehr überzeugen konnte als jede Form von Sympathie. Genau so erging es mir mit den Interaktionen untereinander. Die Gespräche waren weder besonders eingehend noch besonders ausschweifend – kein Dialog dauert länger als gefühlte 2 Minuten und trotzdem nahm ich dem Autor jede Silbe, die er seine Charaktere sagen ließ, komplett ab. Nebenfiguren gab es tatsächlich auch, die trugen jetzt aber keinen wesentlichen Teil zur Geschichte bei. Die wichtigen Randcharaktere bekamen genug Aufmerksamkeit, um sie nicht zu vergessen und um sie nicht gleich zu durchschauen. Für mich waren die Figuren alles in allem zwar kein absolutes Highlight, aber ich fand sie wirklich gelungen und hab im Groben und Ganzen nichts zu bemängeln. Auf den Schreibstil war ich dabei besonders gespannt. Gerade Padi hat immer wieder davon geschwärmt und natürlich wuchs meine Neugier dadurch ins Unermessliche. Leider aber wurde ich doch ein kleines bisschen enttäuscht. Peter Swanson schreibt keineswegs schlecht, das will ich damit gar nicht sagen; viel mehr störte mich die fehlende Atmosphäre. Natürlich war es spannend und mitreißend, aber war das eher der Handlung zu verdanken, als dem Stil. Ich vermisste dieses Gefühl von Atemlosigkeit beim Lesen; von sprachlichem Tempo. Viel eher kam es mir so vor, als würde alles so vor sich hindümpeln und gar nicht richtig voran kommen, weil sich der Autor mit sehr viel Nebensächlichkeiten beschäftigt, die letztlich nichts für die Geschichte tun. Dennoch muss ich aber auch betonen, dass ich zügig voran kam und es keinerlei Verständnis-Probleme gab. Das Buch hat sich flüssig und leicht lesen lassen und war detailliert – beinah zu detailliert – dargestellt und ausgearbeitet. Desweiteren muss ich positiv anmerken, wie das Buch gegliedert war. Wir lesen sehr viel aus Kate’s Sicht, aber nicht nur! Auch andere Figuren wie zum Beispiel Corbin oder Alan bekommen ihre Passagen. Das gefiel mir sehr gut, besonders weil sich der Autor für die dritte Person entschieden hat. Gleichzeitig liegt hier aber auch noch ein kleiner Kritikpunkt begraben: dadurch, dass wir eben aus Kate’s Sicht bereits viel erfahren, gibt es immer wieder Dopplungen, die der Geschichte das Tempo rauben. Das heißt: wir lesen etwas aus Kate’s Sicht, springen dann zu Corbin, dessen Sicht aber von früher stammt und wir uns erst wieder dem Punkt, an dem Kate’s Sicht endet, annähern müssen. Das hat sich stellenweise doch etwas gezogen, wenngleich es natürlich auch Tiefe in das Geschehen brachte. Bevor ich irgendwas zur Handlung sage, möchte ich eins vorweg erwähnen: wer einen temporeichen, atemlosen Thriller erwartet mit schockierenden Wendungen und Twists, die einen regelrecht umhauen; der ist hier falsch. Wer sich aber einen Thriller wünscht, der fesselt und psychologisch gut recherchiert und ausgearbeitet ist; der mitfühlen möchte; der Angst haben will, der sollte sich „Alles was du fürchtest“ doch mal genauer anschauen. Peter Swanson erzählt die Geschichte sehr ruhig, setzt eher auf Details als auf Action und haucht der Handlung eher durch interessante Aspekte als durch Tempo Spannung ein. Mir persönlich war schon relativ früh klar, wer wo seine Finger im Spiel hatte und gen Mitte des Buches wusste ich dann auch schon, wer letzten Endes der Täter war. Grundsätzlich beinah ein No-Go in einem Thriller; doch wenn dabei etwas so interessant und spannend erzählt wird, dann ist für mich die Aufklärung der Geschichte mitunter der unwichtigste Punkt. Viel mehr Wert lege ich dann auf den Weg dorthin. Ist der gut ausgearbeitet, spannend und eventuell sogar noch gruselig, dann ist das um so vieles mehr wert als jede schockierende Auflösung. Hier gilt also ganz klar, dass Weg ist das Ziel und diesen Weg hat Peter Swanson sehr spannend und mitreißend gestaltet, hat sowohl den psychologischen Aspekt als auch die Polizei-Arbeit nicht außer acht gelassen und so alles bedient, was ich erwartet und mir gewünscht hatte. Das Finale konnte tempomäßig aber einiges wieder wett machen. Die fulminante Schlüssel-Szene, in der sich endlich alles auflöste, war enorm gut dargestellt und ließ mich stellenweise sogar den Atem anhalten. Da kam dann das, was ich zuvor vermisst hatte und stimmte mich doch noch versöhnlicher und ließ meine Enttäuschung über die fehlende Geschwindigkeit doch etwas abflachen. FAZIT: „Alles was du fürchtest“ von Peter Swanson ist ein sehr interessanter Thriller mit einer gut durchdachten Thematik und sauber recherchierten Elementen. Der Schreibstil liest sich dabei flüssig und leicht, schafft aber nur wenig Atmosphäre. Die Charaktere dagegen sind sehr fein ausgearbeitet, besitzen eine Vielzahl an Details und vielfältige Vergangenheiten, wodurch sie als Personen alle an Tiefgang gewinnen und dementsprechend greifbar und authentisch wirken. Einziger Kritikpunkt meinerseits ist sie ruhige Erzählweise des Autors, was mich zwar nie wirklich langweilte, aber doch stellenweise für eine gewisse Trockenheit sorgte. Ansonsten absolut lesenswert! Ich werde mir definitiv noch mehr von Herrn Swanson anschauen.

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