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Der Klappentext von "Rot oder blau - Du hast die Wahl" hat mich total neugierig gemacht, da er mich von der Thematik her sehr an unsere aktuelle politische Situation erinnert hat und sich auch mit dem, was ich bisher über "Die Welle" gehört habe (ich habe das Buch selbst tatsächlich noch nicht gelesen, es aber es in naher Zukunft vor), ziemlich abgeglichen hat. Also habe ich mich schließlich kurzerhand dazu entschlossen, das Buch zu lesen, weil ich gespannt war, was es mit dem politischen Experiment auf sich hat. Eigentlich hatte ich erwartet, dass die zwei Klassen in der Geschichte als Gemeinschaft im Vordergrund stehen würde und nicht, dass einzelne Personen eine größere Rolle spielen würden, als andere. Das Buch wurde zwar von einem auktorialen Erzähler erzählt, allerdings gab es mindestens 10 Schüler, auf die des Öfteren explizit eingegangen wurde. Zwei davon, Max und Jakob, haben sich dann aber nochmal etwas mehr von der Masse abgehoben, da sie der Auslöser für viele Dinge in dem Experiment waren. Direkt zu Beginn der Geschichte wird einem klar gemacht, dass Jakob kein großer Fan von Max, dem Influencer, mit über 100 000 Followern auf Youtube, ist. Denn Max hintergeht seine Mitmenschen, lügt und betrügt und kommt damit einfach immer durch. Allerdings ist Jakob erst seit kurzem in der 9b und hat außer Max noch keinerlei Anschluss gefunden und lässt sich deshalb vorübergehend trotzdem auf die Freundschaft zu Max ein. Doch mit der Zeit wird ihm immer mehr bewusst, wie abhängig er eigentlich schon von Max ist. Jakob war mir schon zu Beginn der Geschichte sehr sympathisch, da er ein ziemlicher Kopfmensch ist und deshalb viel mit mir gemeinsam hat. Er ist außerdem durchschnittlich und möchte sich eigentlich nicht in das Geschehen einmischen. Allerdings gelingt ihm das nicht so ganz. Deswegen schlägt er sich auch zwischenzeitlich mal auf die falsche Seite, kommt dann aber zum Glück wieder auf die richtige Bahn. Max ist genau die Sorte von Mensch, die ich auch im normalen Leben überhaupt nicht ausstehen kann, weil er immer mit allen Mitteln versucht, das Zepter an sich zu reißen. Er sieht sich selbst als Führungsperson und macht mit Videos, die sinnlosen Content, wie zum Beispiel "Eis erschnorren" beinhalten, nicht nur unzählige Klicks und Abonnenten auf Youtube, Instagram, Twitter und Co., sondern auch ein kleines Vermögen. Damit gibt er auch zu Genüge vor seinen Mitmenschen an und macht sich damit durch seinen ziemlich dominanten und egozentrischen Charakter bei vielen unbeliebt. Trotzdem gibt es noch eine ganze Menge Leute, die sein Handeln unterstützen und auf seine makellose und angeberische Fassade reinfallen. Der Schreibstil des Autors hat mir wirklich gut gefallen. Einzig die Wahl mancher Jugendwörter fand ich etwas unpassend, denn da ich auch zu der jugendlichen Generation zähle, kann ich glaube ich guten Gewissens sagen, dass zum Beispiel das Wort 'Honk' in der heutigen Zeit kein gängiger Jugendbegriff ist. Auch die Verhaltensweisen der 14- oder 15- Jährigen Schüler haben mich manchmal stutzig gemacht, da ich eigentlich erwartet hatte, dass man in diesem Alter schon ein bisschen mehr Benehmen an den Tag legen kann. Das Buch konnte mir schon auf den ersten Seiten einen guten Einblick auf das Klassenklima in der 9b geben, welches nicht gerade gut ist, aber sich noch im Zaum hält. Erschreckend fand ich es dann zu sehen, wie schnell die Stimmung kippen konnte und sich eine Person ganz an die Spitze eines politischen Streits, der ursprünglich eigentlich nur ein Experiment sein sollte, schlagen konnte. Denn bei dem Experiment geht es gar nicht mehr, wie ursprünglich geplant, darum, sich aufgrund der Interessen und Ziele für eine Partei zu entscheiden, sondern vielmehr darum, die Außenseiter in eine Partei zu stecken und die anderen in die rote, und somit die bessere, Partei aufzunehmen. Diese Situation hat mir mal wieder vor Augen geführt, wie einfach Rassismus entstehen kann und mich hat es wirklich geschockt, dass auch so junge Menschen schon so herrisch und undemokratisch handeln können - und das war erst der Beginn der ganzen Sache. Das Experiment hat mich ziemlich beeindruckt, aber auch wütend, aufgelöst und traurig zurückgelassen, da ich die Reaktion der Schüler, aber auch der Lehrer oftmals nicht wirklich nachvollziehen konnte. Allerdings habe ich mir auch immer wieder die selbe Frage gestellt: Wie würde ich in einer Solchen Situation handeln, in der augenscheinlich alles auf dem Spiel steht? Das Ende konnte mich nicht wirklich überzeugen, da ich mir gewünscht hätte, dass die ganze Sache einen runderen Abschluss gehabt hätte. Dennoch hat mich das Buch wirklich umgehauen und meinen Blickwinkel auf vielerlei Dinge verändert und geschärft.