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Ailyn

Posted on 10.2.2020

Als ich das Buch in die Hand nahm, steckte ich gerade in einer üblen Leseflaute drin und die ersten Seiten schienen mir nicht wirklich dazu geeignet, diese Flaute zu überwinden. Doch dann las ich den ersten Brief, den Ellen an Nela geschrieben hat und mein Herz fing an zu weinen. Und von da an konnte ich die Geschichte nicht mehr aus der Hand legen. Und ich warne Euch vor. Diese Geschichte steckt so voll wunderbarer Worte, dass ich vermutlich nicht umhinkommen werde,  das ein oder andere der Geschichte in dieser Rezension zu verraten. Nela hat nie verwunden, dass ihr Vater sein Meermädchen verlassen hat. Sie wusste nicht warum. Dieses Verlassenwerden hat sie geprägt. Sie konnte keine Menschen mehr an sich heranlassen. Ein einsames und trostloses Leben, dass irgendwie nur aus Arbeit und ihrer Wohnung besteht. Alles geordnet, denn darüber hat sie zumindest die Kontrolle. Doch dann – gerade als ihr das Zuhause aufgrund von Eigenbedarf gekündigt wird, beschließt sie, einmal in ihrem Leben etwas Ungeplantes zu tun. Sie wird ans Meer fahren und sie wird den Menschen suchen, der das Herz ihres Vaters trägt. Und vielleicht, ganz vielleicht wird sie den Mut haben und Ellens Briefe lesen…. Nela: „Und überhaupt sprachen hundert Gründe gegen eine solche Reise. Sie wäre spontan, viel zu spontan, zu teuer, zu unpassend, zu nahe dran an meinem Vater, das ging einfach nicht, das war alles nicht geplant. Und dieses eine Mal warf ich das alles in den Wind.“ Mutige Nela. So eine Entscheidung kostet Mut. Viel Mut. Aus dem Altbekannten, Vertrauten, Sicherem ausbrechen und sich auf eine Reise wagen, die alles irgendwie verändert. In Kauf nehmen, dass man sich mit seinen Gefühlen, seiner Angst und seiner Trauer auseinandersetzen muss, das ist unfassbar mutig. Von diesem Moment an war mir klar, dass ich Nela begleiten muss, dass ich dabei sein muss, wenn sie anfängt, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Nela: „Dann stand ich im Türrahmen und tat den letzten Schritt, der mich auf den Bahnsteig führte und somit unwiederbringlich an einen Ort am Meer, das ich nie mehr hatte besuchen wollen. Aber nie mehr war nun nur noch Vergangenheit.“ Sie reist ans Meer und findet bei Henrietta, einer bezaubernden älteren Pensionswirtin eine Unterkunft. Drei Wochen kann sie bleiben. In einem kleinen Naturschutzgebiet. Direkt am Meer. An der rauen See, die ihr und ihrem Vater einst so viel bedeutet hat. Und in der Nähe von Maximilian, der als Teenager das Herz ihres Vaters bekommen hat. Sie beginnt, sich nach und nach einzuleben und hat irgendwann auch den Mut, Ellens Briefe an Hannes zu lesen. Ihren Vater kennenzulernen. Ellen erzählt in ihren Briefen vom Beginn ihrer Beziehung, von Hannes Dämonen und von ihrem Abschied. Und sie tut das auf eine unfassbar berührende Weise. Die Liebe, die die beiden füreinander empfinden, ist in jedem Wort spürbar. Diese Briefe haben mich zu Tränen gerührt. Jeder einzelne Brief: „Ich wusste, alles würde besser werden. Mit Dir würde die Welt aufhören, sich rückwärts zu drehen.“ „Ich war Schritt für Schritt an meine Grenzen gelangt, und ich wusste, dass ich noch weit darüber hinausgehen musste. Es gab keine Wahl, keinen Weg, der zurückführte oder der leichter war. Es gab nur das Vorwärts, das sich an den wenigen Stützpunkten Entlanghangeln.“ „Doch ich weiß, wie weh Trennungen sein können. Trennungen, die man nicht erwartet hat, die einen mitten aus dem Leben reißen, die Wunden schlagen, die immer wieder aufgehen und sich nur notdürftig stopfen lassen.“ Diese Briefe und Ellens Worte verändern Nela. Sie beginnt, ihren Vater zu verstehen und vor allen Dingen, ihm zu verzeihen. Die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Und wieder Menschen in ihr Herz zu lassen. Nähe zuzulassen, obwohl immer die Gefahr besteht, wieder verletzt zu werden. Und zu kämpfen. Für sich, für ihr Leben, für die Menschen, die ihr etwas bedeuten. Nicht aufgeben. Weiter machen. Jeden Tag als Geschenk ansehen. Leben. Einfach nur leben. Nela: „Kämpfer fühlen sich nie wie Kämpfer“, sagte ich, „weil sie nicht mit Fanfaren und Trompeten durch die Straßen ziehen und ihre Siege in die Welt hinausschreien. Wahre Kämpfer sind leise und vernarbt und die Siege, die sie errungen haben, haben ihnen einen Preis abverlangt.“ „Vielleicht konnte man nie, niemals vergessen. Aber verzeihen und vergeben, das konnte man, wenn man über seine Schatten sprang und sein Herz öffnete, egal wie ramponiert und zerkratzt es war. Denn das war es, was Verzeihen ausmachte: Man vergab eine zweite Chance, obwohl uns die erste so sehr verletzt hatte, wir öffneten uns neu, wo wir wund waren und der Schorf wieder aufbrechen konnte. Wir gingen dieses Risiko bewusst ein, weil es das manchmal wert war.“ Die Geschichte um Nela hat sich in mein Innerstes gebrannt. Sie hat mich zu Tränen gerührt und mir wieder einmal mehr bewusst gemacht, dass wir nur ein Leben haben und dieses Leben mit den Menschen teilen sollten, die uns wichtig sind, die wir lieben. Denn Zeit ist endlich.

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