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Merle

Posted on 14.3.2023

"Die Liebe ist ein Fest. Ein Fest für das Leben und den Tod. Sie bleibt immer bei dir. Verweilt bei euch, meine Liebsten, lange nach meinem Tod. Lauscht nach mir im Wind, der durch die Baumwipfel weht." Danke an Vorablesen, die mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Meine Meinung ist davon unabhängig. Ist die Liebe tot? Das glaubt zumindest unsere Protagonistin Florence nach der Trennung ihres langjährigen Freundes. Umso schwerer fällt es ihr deshalb, auch in ihrem aktuellen Roman zu einem Happy End zu kommen - doch ihr neuer (und heißer) Lektor Ben lässt sie die Frist nicht verschieben. Als Florence einen Tag vor der Abgabe von dem Tod ihres Vaters erfährt, muss sie zurück in ihre Heimat, in das Bestattungsinstitut ihrer Familie, zu ihren "Geistern". Wortwörtlich: sie kann nämlich Geister sehen. Und eins davon ist... genau, Ben, ihr neuer Lektor. Seine Aufgabe scheint es, sie wieder an die Liebe glauben zu lassen. Blöd nur, wenn man sich in einen Geist verliebt. In diesem Buch passieren mehrere Sachen gleichzeitig und es klingt erstmal etwas kompliziert, aber das ist es eigentlich gar nicht. Wobei ich es in der Umsetzung besser gefunden hätte, wenn die Autorin sich stärker fokussiert hätte, weil der Wechsel von "ich trauer um meinen Vater" zu "Ich helfe Ben" zu "Ich muss weiterschreiben" manchmal abrupt kam, und ich sowieso finde, dass weniger Themen aber dafür sehr gut ausgearbeitet in Büchern oft mehr sind. Wir haben Florence, die Ghostwriterin ist und mit ihrem neusten Werk nicht weiter kommt. Ich finde diese Mehrdeutigkeit von "Geist" in diesem Buch echt toll - es geht um richtige Geister, ums "Geistschreiben" (Ghostwriting) und die metaphorischen Geister der Vergangenheit, mit denen Florence sich konfrontiert sieht. Nicht nur ihre Heimatstadt hat sie jahrelang gemieden, auch ihr Ex belastet sie noch immer. Mit der Hilfe von Geist-Ben stellt sie sich diesen Problemen, versucht, den Tod ihres Vaters zu verarbeiten und will Ben helfen, seine letzte Aufgabe auf Erden zu erfüllen. Es hat mich von der Atmosphäre an "Wenn ich bleibe" von Gayle Forman erinnert, mit Plotähnlichkeiten zu Verity und Layla von Colleen Hoover - also falls ihr diese Bücher mögt, ist das sicher etwas für euch. Es geht viel um Tod und Trauer, aber auf eine sehr heilsame, realistische Art. Da Florence Familie ein Bestattungsinstitut hat, geht es auch viel um die Planung der Bestattung, und ich finde das Buch normalisiert das Thema Tod auch irgendwie. Wir müssen alle sterben, und auch wenn wir daran nicht denken wollen, können wir trotzdem Vorkehrungen für den Fall des Falles treffen, und das Buch nimmt uns nicht nur durch den emotionalen Prozess der Trauer mit, sondern auch durch diesen organisatorischen Prozess der Beerdigung. Wobei ich tatsächlich die Reaktion der Familie auf den Tod des Vaters etwas kühl und unemotional fand. Da Florence Ghostwriterin/Autorin ist, geht es auch viel um Bücher und Literatur, was natürlich immer ein gutes Thema für ein Buch ist. Das Setting in der Kleinstadt, aber zwischendurch auch in New York, hat mir gut gefallen. Der Schreibstil lässt sich schnell und flüssig lesen, auch wenn mir manche Formulierungen aufgrund der Übersetzung komisch vorgekommen sind (wie z.B. "Murphys Gesetz" auf deutsch statt "Murphys Law", oder mal ein Verb, das ich so nicht verwendet kannte). Durch das Geister sehen können hat das Buch ein magisches Element bekommen, was ich sehr passend fand. Die Protagonistin kann Geister sehen und hilft ihnen, ihre letzte Aufgabe auf Erden zu erfüllen. Relativ simpel, ohne große Regeln oder Erklärungen für das wie und warum - aber für einen Liebesroman find ich das total angemessen. Die Liebesgeschichte ist so einer der Punkte, der mich etwas nachdenklich zurücklässt. Sie verliebt sich ja in einen Geist...ich fand diese Vorstellung ab einem gewissen Punkt einfach sehr befremdlich und hab es als fetischisierend empfunden, als über explizite Handlungen nachgedacht wurde. Besonders weil Florence (und wir als Leser auch) Ben ja kaum kennt, war das irgendwie befremdlich, wie sich diese Anziehung so stark entwickeln konnte. Das wurde für mich nicht glaubhaft vermittelt. Die Nebencharaktere sind nicht sonderlich stark ausgearbeitet, es gibt die beste Freundin Rose, Florence Emo-Schwester, ihren schwulen Bruder und die Mutter, aber der Fokus in diesem Buch liegt ganz klar auf Florence, die als humorvolle, quirlige, aber auch nachdenkliche Protagonistin sehr gut ausgearbeitet ist. Zum Ende des Buches hin wird die Geschichte sehr vorhersehbar, mit Drama und Co., halt was klassisch im Liebesroman Genre so passiert. Ich hatte gehofft, dass der Autorin dort vielleicht noch etwas originelles einfällt. Insgesamt komme ich auf 4 von 5 Sternen. Ich fand das Buch gut geschrieben, besonders die Trauerverarbeitung als Thema fand ich gut gewählt und Florence war als Protagonistin gut ausgearbeitet. Die Handlungsstränge waren gut verständlich, auch wenn es doch etwas viel für das Buch war und man den Fokus sicher stärker hätte setzen können. Die originelle Vermischung von einem Liebesroman und übernatürlichen Elementen fängt stark an, endet leider etwas vorhersehbar, aber nichtsdestotrotz habe ich das Buch gerne gelesen. Ich konnte echt mitfühlen, und habe mit Florence gelacht und getrauert. "Es gibt kein glückliches Ende, es gibt nur glückliche Leben."

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