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gwyn

Posted on 13.3.2023

Der Anfang: «Im Jahr des Herrn 1894 wurde ich zur Gesetzlosen. Wie so vieles im Leben geschah auch das nicht von heute auf morgen. Zunächst einmal musste ich heiraten. Am Tag meiner Hochzeit fühlte ich mich wie ein Glückskind. Ich war siebzehn und nicht die erste Braut in meiner Schulklasse, aber immerhin war ich eine Braut, und mein Ehemann ein hübscher Junge aus gutem Hause.» 1894, im Wilden Westen: Nach einer Grippewelle herrscht Unfruchtbarkeit – die Zusammenhänge sind den Menschen aber nicht klar – doch klar ist: die Frauen sind schuld und die Hexen. Frauen hatten die Pflicht, zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen. Als die siebzehnjährige Ada nach der Hochzeit nicht schwanger wird, versucht sie es mit einem Trick, den dem ihr die Mutter geraten hat: Sie trifft sich heimlich mit einem anderen Mann, rein zur Begattung. Die Mutter ist Hebamme, hat ihr alles beigebracht, was man über Geburten wissen muss und dazu andere medizinische Fertigkeiten. Als herauskommt, was Ada treibt, wird verdächtigt, mit einem Fluch belegt zu sein. Und als es im Ort auch noch zu Fehlgeburten und tot geborenen Kindern kommt, die man ihr wahrscheinlich in die Schuhe schieben wird, schickt die Mutter sie fort. Sie kommt in ein Kloster, wo sie in Sicherheit ist, und sie möchte herausfinden, warum manche Frauen unfruchtbar sind, liest viele Bücher zum Thema. Sie wird nun per Steckbrief gesucht, angeklagt wegen Hexerei. «Aus sechs glücklichen Monaten wurde ein ganzes Jahr. «›Jetzt gibt es nur noch eine Lösung›, sagte meine Mutter. ‹Du musst mit einem anderen schlafen.› In der Hälfte der Fälle, erklärte sie, liege das Problem beim Mann. Ich war schockiert. Mrs Spencer hatte uns immer erzählt, die meisten Paare bekämen deswegen kein Kind, weil die Frau ihrem Ehemann nicht oft genug beiwohnte, oder weil sie zu beten vergaß. Eine Frau, die ihre Pflichten gegenüber dem Ehemann und dem Jesuskind vernachlässigte, sei höchstwahrscheinlich von einer Hexe verflucht worden – für gewöhnlich von einer Frau, die selbst unfruchtbar war und andere mit ihrem Leid anstecken wollte.» Ada muss sich entschließen, Nonne zu werden – doch so ganz passt das nicht zu ihrer Persönlichkeit. Die Oberin hat Verständnis, gibt ihr eine Adresse, an die sie sich wenden soll. So gelangt sie zur «Hole in the Wall-Gang». Die Gesetzlosen sind zunächst skeptisch, aber Adas medizinische Kenntnisse können sie gebrauchen. Der berüchtigte Kid führt die Geächteten an – doch zum Erstaunen von Ada handelt es sich bei der Bande um Frauen, die sich als Männer verkleiden: Frauen, die keine Kinder bekommen können und Lesben. Spannung und gute Unterhaltung! Interessant, was Ada in den Büchern findet, angefangen von Mönchen über Frauenärzte usw. – was diese Herren über den weiblichen Körper wissen und annehmen, was sie raten ... es ist starker Tobak. Und ich denke, dass die Autorin aus Büchern zitiert, die man zu dieser Zeit heranzog. Nur ein Buch ist für Ada überzeugend – das einer Hebamme. Und die will Ada unbedingt aufsuchen. Frauen, die nicht funktionieren, werden ausgestoßen von der Gesellschaft – nie wird gefragt, ob der Mann an der Unfruchtbarkeit schuld sein kann. Die Frau wird reduziert, klassifiziert, hat nichts zu melden. Herrlich beschrieben sind die damaligen medizinischen Einsichten, die Quacksalberei und Rassismus und Rassenvorurteile dargestellt. Wenn eine Bergziege und eine Flachlandziege gekreuzt behinderte Kinder bekommen – dann können doch schwarze und weiße Menschen nicht ... Die Figuren sind authentisch, zumindest ist die Hauptprotagonistin gut ausgearbeitet. Etwas hat mich verwirrt, Ada war sehr fixiert, herauszubekommen, warum manche Menschen unfruchtbar sind. Und plötzlich hat sie dieses Ziel aufgegeben? Die Autorin kratzt die Kurve ganz am Ende. Ein wenig Zeitgeschichte – allerdings ging mir das mit der Anklage wegen Hexerei zu weit. 1692 wurde die letzte Hexe in den USA in Salem angeklagt – hier bewegen wir uns im Bereich der Fantasy. Ein Westernroman aus weiblicher Perspektive, der die Misogynie der Zeit offenlegt, das ist gut gelungen. Ja, und das «Hole-in-the-wall» existiert in den Big Horn Mountains im Norden vom Wyoming, ebenso diese Gang dort oben, zu denen Butch Cassidy, Black Jack Ketchum, Black Jack und Sundance Kid gehörten. Ebenso eine Frau: Laura Bullion. So richtig viel realen Westernsound hat dieser Roman nicht. Nette Unterhaltung, eine Abenteuergeschichte im Hollywood-Westernsound mit ein wenig Fantasy. Anna North hat den Iowa’s Writers› Workshop absolviert, ist Journalistin und Autorin dreier Romane, von denen THE LIFE AND DEATH OF SOPHIE STARK mit dem Lambda Literary Award ausgezeichnet wurde. Ihr neuer Roman DIE GESETZLOSE wurde weltweit in zahlreiche Länder verkauft. Ihre journalistischen Arbeiten sind u.a. in The Atlantic und der New York Times erschienen. Sie lebt in Brooklyn.

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