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Yvonne Franke

Posted on 11.9.2022

Als Ursula erwacht, ist plötzlich nicht mehr Sommer und Joachim ist verschwunden. Über Nacht ist sie in ihre eigene Vergangenheit geraten. Gar nicht so weit zurück. Statt dem 28 Juli ist es wieder Anfang Februar. Doch gerade in diesen folgenden Monaten war so viel passiert, das nun wieder unerreichbar scheint. In der Straßenbahn war sie Joachim in die Arme gestolpert, sie hatten sich verliebt und ein neues Zuhause gefunden. Und nun fand sich Ursula zurückgeschleudert in ihr kleines staubiges Leben, das sie noch weniger ertragen kann, nachdem sie weiß, was möglich ist. Und mit jedem ungeduldigen Schritt führt sie Veränderungen herbei, die vielleicht verhindern, dass geschieht, was geschehen soll. Hannelore Valencak, geboren 1929 in der Steiermark, wo sie vor ihrer Karriere als Schriftstellerin Physik studierte und in einem Stahlwerk als Metallurgin arbeitete, veröffentlichte "Das Fenster zum Sommer" 1967 zunächst unter dem Titel „Zuflucht hinter der Zeit“. Es gibt viele Romane, die sich mit dem Thema Zeitreisen beschäftigen, die Besonderheit an Valencaks Roman liegt in der Kürze dieser Reise. Die vertraute Zukunft bleibt noch greifbar, scheint ihrer Heldin noch zu gehören. Das langsame Begreifen des Gegenteils, des möglichen Verlusts der sich langsam erfüllt geglaubten Sehsüchte, ist ein Schock. Sehr konkrete Gedanken über die Bedeutung von Zeit, Bestimmung, Eigenverantwortlichkeit drängen sich auf. Was passiert mit all diesen Erinnerungen, wenn die zugehörigen Ereignisse doch nicht eintreten? Wenn man weiß, dass die nette Kollegin in ein paar Wochen sterben wird, kann man es verhindern, ohne, dass die eigenen Zukunft ins Wanken gerät? "Das Fenster zum Sommer" passt in keine Kategorie. Man könnte aber eine erfinden. Philosophische Spannungsliteratur vielleicht. Denn einige der Gedankenanstöße spinnen sich noch nächtelang in den eigenen Träumen weiter und doch ist es ein thrillerhaftes Vergnügen diesen Roman zu lesen.

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