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renee

Posted on 31.8.2022

Gleichschritt Ein intensives Buch! Und für meine Begriffe steht es völlig nachvollziehbar auf der Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises. Dieses Buch stand schon vorher auf meiner Wunschliste, sein Erscheinen in der Longlist brachte es dann schneller zu mir. Und fast ebenso schnell ging die Lektüre. Eine wirklich spannende Geschichte. Und für mich auch eine besondere Geschichte, da ich ja ebenso in der Medizin, in der Psychiatrie tätig bin und von daher auf Merets Gedanken mit einem eigenen Hintergrund schaue. Ein neuartiger Eingriff soll besonders Frauen von ihren psychischen Leiden befreien. Und Meret soll dabei helfen, denn sie ist ein besonderer Mensch, sagt der behandelnde Arzt, sagt der Gott in Weiß, sagt der Mann. Und Meret ist stolz. Obwohl ihr Zweifel aufkommen, verdrängt sie sie erfolgreich. Denn im Krankenhaus geschieht ja ihrer Meinung nach das Gute. Auch Zweifel ihrer Kolleginnen verdrängt sie, ja, sie fühlt sich sogar persönlich angegriffen. Denn das Geschehen trifft ja die Anderen und diesen Anderen wird ja zu einem besseren Leben verholfen. Und sie und der Doktor tun ja das Gute. Erst als sie merkt, wie schnell man selbst zu den Anderen gehören kann, verändert sich ihr Denken und sie bemerkt die Manipulation, die an ihr vorgenommen wurde. Ein nachdenklich machendes Buch, ein Buch, in dem Wahrheiten stecken und ein Buch, welches ein dunkles und bedrohliches, ja fast ein irgendwie dystopisches Gefühl vermittelt. Ein Buch, welches weder örtlich noch zeitlich verbunden ist und damit Verbindungen ins Gestern und ins Heute ermöglicht und nach verschiedenen Örtlichkeiten auslöst, ja auch ins Jetzt hervorruft. Gut, diese hier erwähnten psychochirurgische Eingriffe werden momentan bei uns nicht mehr an Menschen durchgeführt, die nicht der Norm entsprechen. Doch wer garantiert, dass dies so bleibt? Nur eine offene und tolerante Gesellschaft! Und diese wird immer wieder von rückwärtsorientierten Kräften torpediert. Dies sollte uns klar sein und unsere Wachsamkeit verstärken. Denn dass diese Eingriffe bei uns nicht mehr durchgeführt werden, heißt ja nicht, dass es sie an anderen Orten in unserer Welt nicht mehr gibt und auch bei uns nie mehr geben wird. Denn eine Andersartigkeit, ein Hervorstechen aus der Masse wird nicht von jedem Zeitgenossen positiv bewertet. Und wenn die richtigen, oder eher die falschen Leute an die Macht kommen, kann es schnell heißen, dass Frauen wieder an den Herd gehören und zu Gebärmaschinen umfunktioniert werden. Auch dies sollte jedem klar sein. Denn dieses Denken gibt es ja leider und nur weil man oder frau etwas erfolgreich ignoriert, heißt es ja nicht, dass es diese Gedanken nicht gibt.

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