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marcello

Posted on 27.7.2022

Ich finde es gut, dass auch Kyra Groh mit ihrem Stil nun dem New Adult-Genre als Autorin beigetreten ist und dieses mit wichtigen Themen aber auch ihrem unverwechselbaren Humor anreichert. Auf Band 2, „Alles, was du von mir weißt“, habe ich dabei besonders gefreut, denn es ist doch leider immer noch viel zu selten, wenn die Protagonistin oder auch der Protagonist übergewichtig ist. Es gab zwar schon Versuche, aber so richtig überzeugt hat mich in dieser Richtung wenig. Deswegen war ich hier bei Polly sehr gespannt, denn sie ist uns in Band 1 als sehr selbstbewusst und als ein gewisses Großmaul vorgestellt worden, weswegen ich gespannt war, wie wir alles durch ihre Perspektive wahrnehmen werden und was dann thematisch hängen bleibt. Zunächst kann ich sagen, dass die Darstellung der übergewichtigen Polly durchaus sehr gut gelungen ist. Man hat deutlich gemerkt, dass sie mit sich eigentlich völlig im Reinen ist, dass sie aber auch nicht ewig mit ihrer humorvollen Mauer gegen die Spitzen ihrer Mutter und gegen Außenstehende vorgehen kann. So ist Polly trotz ihrer ersehnten Selbständigkeit in Köln in einen Strudel geraten, den es kaum noch aufzuhalten möglich war, denn sie hat das Denken übernommen und es sogar im Vorfeld gedacht, um sich im Grunde in einem Worst-Case-Szenario selbst zu schützen. Ich kenne solche Prozesse wirklich gut, weswegen mir einige Szenen auch wirklich weh getan haben, weil ich sie vielleicht so oder so ähnlich auch schon erlebt habe. Ich fand es auch gut, dass Pollys Selbstbewusstsein irgendwann auch nicht mehr funktionierte und sie nur noch wie ein Fisch den Mund auf- und zumachen konnte, denn das hat es sehr, sehr realistisch gemacht. Dennoch war es mit Polly auch anstrengend, denn manchmal waren diese düsteren Gedanken dann zu viel, ihr Schutz-Humor zu bissig und es blieb nur noch wenig Raum für kleine glückliche Momente. Ein Problem durch diese Sichtweise auf Polly war auch – und das war schon meine Kritik im ersten Band bezogen auf Fynn – dass Jonas kaum Persönlichkeit entwickeln durfte. Und da wären wir dann auch wieder beim Knackpunkt, dass die Liebesgeschichte für mich leider etwas blass gewesen ist. Das, was geboten wurde, war nett und vielversprechend, aber ich glaube, dass wir mit einer intensiveren Betrachtung von Jonas und seiner Gefühlswelt noch viel mehr hätten erreichen können. Denn man hat als LeserIn ja immer gemerkt, dass etwas bei ihm los ist, aber Polly war so mit sich selbst beschäftigt, dass es immer wieder aufgeschoben wurde. Ich weiß nicht, ob Groh es hier als Überraschungseffekt geplant hat, dass Jonas selbst unter einem toxischen Selbstbild leidet, aber für mich war es das wert, dass es ebenfalls intensiv hätte beleuchtet werden müssen. Dann hätten wir zu Polly und Jonas ein gleichermaßen intensives Bild gehabt und schon wäre ihre gemeinsame Geschichte eine andere gewesen. So ist es einfach etwas schade, weil die Ansätze alle wunderbar sind, aber die letzten 15 % fehlen. Fazit: Kyra Groh hat in „Alles, was du von mir weißt“ sehr, sehr gute Ansätze, denn ich habe mich oft genug selbst wiedererkannt und es tat auch weh, die eigenen Erlebnisse so schonungslos ehrlich verarbeitet zu sehen. Dennoch fehlt auch etwas, weil gerade Jonas als Gegenpart zu uneigenständig als Figur blieb, weswegen die Liebesgeschichte noch den besonderen Faktor mehr verpasst hat. Dennoch gibt es definitiv eine Leseempfehlung, weil es viel zu wenig thematische Auseinandersetzung mit Übergewicht bei New Adult gibt.

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