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Yvonne Franke

Posted on 13.7.2022

Gehört Ihr auch zu diesen Menschen, die an jedem Krimi was zu mäkeln haben? Ich nämlich schon. Und in den meisten Fällen ist das auch gerechtfertigt, finde ich. Denn so spannend es auch, über zum Teil sehr viele Seiten, werden mag, am Ende bin ich meistens enttäuscht, weil es entweder zu erwartbar oder zu konstruiert daherkommt. Wenn 50 Seiten vor Schluss eine neue Figur eingeführt wird, habe ich keine Lust mehr weiterzulesen, denn das wird der Täter oder die Täterin sein, denen man bis dahin nicht auf die Schliche kommen sollte. Das ist ermüdend. Überzeugend anders ist es bei Chris Whitakers "Was auf das Ende folgt". In der kalifornischen Kleinstadt Tall Oaks sind eine Menge schräge Charaktere versammelt. Darunter sind einige, denen man dunkle Geheimnisse zutraut und vielleicht auch die Entführung des kleinen Harry Monroe. Doch Whitaker lässt hier nicht einen Verdächtigen nach dem anderen vortanzen, um Verwirrung zu stiften. Er erzählt die Geschichten dieser Menschen und man taucht in jede einzelne ein. Sechs komplexe Erzählstränge sind hier miteinander verwoben, zum Teil in schnellem Wechsel. Aber jeder einzelne wird von so einzigartigen Figuren getragen, dass es unmöglich ist, durcheinander zu geraten. Man will keine dieser Figuren verdächtigen und doch geschieht es bei einer nach der anderen. Und bei fast allen zerplatzt dann der Verdacht auf unterschiedliche aber spektakuläre Weise. Die Pointen jeden Erzählstrangs, lassen einen zunächst vor Überraschung staunen, bis einem klar wird, dass es Hinweise gab, die man nur nicht geschafft hat selbst zusammenzusetzen. Dieses "Was? Oh nein! Ahhh!" – so oft hintereinander ist mir das bei der Lektüre eines Krimis noch nie passiert. Und an der Auflösung ist endlich mal rein gar nichts faul.

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