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wandanoir

Posted on 9.9.2021

: Eine Buchbesprechung, die (eigentlich) gar keine Buchbesprechung ist, sondern: Eine Hommage an Paul Auster. „I am a fanatic reader and I am in love with literature.“ Diesen Satz findet man am Ende von der New York Trilogy (Hörbuch) in einem Interview mit dem Autor. Das macht ihn so sympathisch. Paul Auster hinterlässt gerne Spuren der Literatur, die er liebt und schätzt, in seinen Romanen. Diese Eigenheit habe ich in 4 3 2 1 so geliebt, das Buch, welches ich als ersten Roman von Paul Auster kennengelernt habe und durch diesen Roman und durch die New York Trilogie jetzt ist er einer meiner Lieblingsautoren geworden. Und weil Auster Paris liebt. Auch in der New Yorker Trilogie verweilen wir eine Zeitlang in Paris. Ich bin gespannt darauf, ob wir in jedem Roman von ihm, ein bisschen Parisatmosphäre schnuppern. Denn ich werde nach und nach alle Romane lesen, die Paul Auster je geschrieben hat. Dass mich „The New York Trilogy“ so geflasht hat, ist eigentlich sonderbar. Denn New York kenne ich ja nicht. Natürlich habe ich einige Sonderbarkeiten erfahren, was den Flash ein bisschen erklärt, womöglich allgemein bekannte Sonderbarkeiten, aber mir waren sie neu. Dass zum Beispiel Mrs Winchester aus Angst vor den Geistern der Menschen, die durch die Waffen ihres Gatten ums Leben kamen, ihrem Haus mehr und mehr Räume hinzufügte und jeden Tag in einem anderen schlief, damit die Geister sie nicht aufspüren konnten. Oder dass Paul Thoreau ein Waldschrat war, mehr oder weniger und in einem Gartenhaus lebte, oder ähnlich, jedenfalls auf jeden Komfort verzichtete. Es gab noch einen anderen Schriftsteller, über den er etwas berichtete, aber das habe ich vergessen, sorry. Walt Whitmann, jetzt fällt es mir wieder ein. Auch er muss ein sonderbarer Zeitgenosse gewesen sein. In seinen drei Geschichten driftet Paul vom Höxken zum Stöxken, immer logisch hergeleitet, aber diese Drifterei Austers ist schon schreiend komisch, weil er immer, einfach immer bei Büchern und Filmen und manchmal auch bei Musik landet. Ich nenne dies „die Austerschen Ausflüge“. Paul Auster beschäftigt sich mit dem Schreibprozeß. Er schreibt sich selber in seine Stories. Manchmal mehrmals. Auch das ist zum Schreien komisch. Generell aber ist die New York Trilogy nicht komisch. Aber kann Paul Auster etwas schreiben ohne auch in der Tragik komisch zu sein? Es ist eine leise Komik wie auch die Tragik seiner Geschichten leise ist. Eigentlich mag ich Surrealismus in Romanen nur bedingt. Dass Paul Auster mich mit seinen surrealistischen Geschichten einfängt, woran liegt das? Sie haben etwas mit mir zu tun. Ich emfinde Paul Auster als einen Seelenverwandten. Das mag ganz falsch sein. Ich kenne ihn ja nicht. Aber seine Themen liegen mir. Paul schreibt, so interpretiere ich es, über das Auflösen von menschlicher Begrenzung. Er löst jegliche Grenze auf. Er stößt seine Protagonisten über den Rand der Welt und folgt ihnen ins Nirwana. Eigentlich ist dies unerhört. Wie gelingt es ihm, das interessant und atemberaubend und nicht manieriert und blasiert klingen zu lassen? Paul Auster schreibt über Einsamkeit. Und über Verlust. Über die Sinnlosigkeit des Daseins. Darin ähnelt er ja nun den von mir verhassten Existentialisten. Verhasste, aber faszinierende Existentialisten. Aber in Austers Romanen ist Lebensfreude und Humor und Warmherzigkeit enthalten. Bei den Existentialisten ist alles kalt und trostlos. Worum geht es nun im einzelnen? Um crazy things. Im Roman „The Locked Room“ nimmt ein Autor einen Auftrag an, der ihn letztlich dazu führt, sich selbst aufzulösen. In „City of Glass“ spielt Auster mit Farben. Die Protagonisten haben die Namen von Farben. Das ist verwirrend. Der Protagonist Blue ist am Ende einfach am Ende und eliminiert Black. In „Ghosts“ tauchen Protas der ersten beiden Bücher auf, z.B. der Detektiv Quinn, es gibt eine verrückte Verfolgungsjagd in Paris, der Icherzähler, dessen Namen ich gar nicht kenne, übernimmt das Leben eines frühren Schulfreundes und wird von dessen Geist verfolgt. Natürlich endet auch diese Geschichte im Absurden. Die drei Geschichten erzählen von Menschen, die einem Wahn zum Opfer fallen, die Realität und Wahn nicht auseinanderhalten können, von Menschen, die fanatisch an einem sinnlosen Unterfangen festhalten und plötzlich jede Orientierung im Leben verlieren. Seine Protagonisten sind keine strahlenden Siegertypen. Es sind Besessene. Aber das ist es nicht, worin ich mich wiederfinde. Sondern im mäandernden Gedankenstrom des Autors über andere Autoren, über die Kunst an sich, über den Sinn des Lebens, über Gott und die Welt. Und darin, dass Auster darstellt, wie noch im Absurdesten und Abgedriftesten eine tiefe Komik liegt. Oder, andersrum, the other way round, dass im Normalsten auch das Absurde mit am Tisch setzt. Die Grenzen verschwimmen. Das Gewisse schlüpft durch die Finger. Austers Geschichten beschreiben im Eigentlichen den Tod. Die Auflösung von allem. Und er schreibt auch über das Zufällige. Paul Auster spielt gerne und experimentiert. Paul Auster schreibt so, wie ich koche. Ausprobieren. Seelenverwandt, sag ich doch. Fazit: Also, wenn ihr damit etwas anfangen könnt und nicht unbedingt erwartet, dass eine Geschichte einen stringenten Schluss hat, dann ist Paul Auster auch euer Autor. Ich finde ihn fantastisch. Allerdings frage ich mich, warum mich Heinrich Steinfest so langweilt. Er macht nichts anderes. Oder? Kategorie: Belletristik. Gelesen: ganz wunderbar von Joe Barrett.

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