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joberlin

Posted on 15.3.2021

Der Journalist und Schriftsteller Hauke Friederichs hat bereits 2018 ("Die Totengräber" - Ende der Weimarer Republik) und 2019 ("Funkenflug" - Sommer vor Kriegsbeginn ) vielbeachtete Bestseller geschrieben. In diesen Büchern machte er - anhand einzelner kleiner und großer Ereignisse, gekoppelt an Gedanken und Entscheidungen einzelner Personen – Geschichte nachvollziehbar. Genauso geht er nun in seinem neuen Buch vor, in dem er die Ereignisse der Schlacht von Dünkirchen im Frühjahr 1940 neu für uns erfahrbar macht. Ich liebe diese Art der Geschichtsdarstellung und bin schon nach wenigen Seiten mitten im Geschehen. Zwar gibt es eine Vielzahl von Publikationen, Dokumentar- und Spielfilmen zu diesem Thema – doch durch die hervorragende Aufbereitung vermittelt gerade dieses Buch dezidierte Einsichten und Kenntnisse der recht komplexen Ereignisse. Tagebücher, Reportagen, Briefe zieht Hauke Friederichs heran - hervorragend die Recherche, exzellent Sprache und Stil. Das liest sich flüssig und gut und ist, auch durch den schnellen Ablauf der Ereignisse, geradezu spannend, ja atemlos erzählt. In außerordentlicher Weise gelingt es ihm, den Geist der Zeit einzufangen, lebendig und interessant darzustellen, denn hier werden nicht nur einfach Daten abgearbeitet - wie mit einer Kamera schwenkt Friederichs von weltpolitisch hochwichtigen Abläufen zu kleineren, privateren Geschehnissen. Eine Tochter freut sich, den Vater nach längerer Abwesenheit wiederzusehen, Soldaten spielen Fußball, in Berlin hat ein Theaterstück Premiere, Erika Mann in New York schreibt einen Brief, Anna Seghers in Paris sucht einen Verleger für ihr Buch "Das siebte Kreuz", nichtahnend, dass es noch zu Kriegszeiten zu einem Welterfolg werden wird. So ergibt sich aus vielen kleinen Vorgängen - Puzzleteilen gleich - ein großes, klares Bild auf unsere Geschichte. Politiker und Militärs in England und Frankreich wissen zwar von deutschen Kriegsvorbereitungen, doch wannwowie ist unklar. Der Angriff über die als undurchdringbar gedachten Ardennen kommt in Heftigkeit und Schnelle dennoch überraschend und die Beschreibung der Schrecken des Krieges mit Bombenhagel und hochexplosivem, neuartigem Sprengstoff, mit brennenden Häusern und vielen Toten, erzeugt durch Friederichs eindrückliche Darstellung eine Art Selbstdabeigewesenheitsgefühl. Im letzten Moment der Katastrophe - und wie durch ein Wunder - können über 300.000 eingeschlossene alliierte Streitkräfte schließlich nach England evakuiert werden. Ein sehr gut geschriebener Epilog fasst die weiteren Ereignisse um die "Protagonisten" und das Kriegsgeschehen zusammen. Der anschließende Bildteil lässt uns das Gelesene abschließend noch einmal Revue passieren. Dieses Buch sollte, ja muss von allen an europäischer Geschichte Interessierten gelesen werden. Und wer ist das nicht?

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