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cosima73

Posted on 3.3.2021

Ilka Piepgras hat sich aufgemacht und Schriftstellerinnen über die Schulter geschaut. Was bedeutet es, zu schreiben? Wie sieht der Weg vom Gedanken hin zum Buch aus? Womit hat man dabei zu kämpfen? Vor allem als Frau? Das Buch konzentriert sich auf Frauen, da diese auch heute noch wenig präsent sind im Literaturbetrieb. „Bei mir sind das die heiklen Stellen, die, wo die Verzweiflung und die Angst vor dem Scheitern wohnen: Ich weiss danach oft einfach nicht weiter. Ich habe alles gegeben, um diese paar Seiten zu schreiben, durchzustrukturieren, mit Crescendo und Diminuendo und im besten Fall sogar mit einer Fermate. Und dann? Dann ist da ein Stück Text, korrigiert, fertig, ein fast perfekt poliertes Werkstück, leider ins Unbestimmte ragend wie ein Sprungbrett über einer Schlucht.“ Das Buch umfasst 24 Texte von Schriftstellerinnen, in welchen diese offenlegen, was Schreiben für sie bedeutet, wie ihr Schreiballtag aussieht, womit sie kämpfen, worüber sie sich freuen und wo sie ihre Kraft herholen. Entstanden ist ein offenes und ehrliches Buch, das von Ängsten und Nöten spricht, vom Spagat zwischen Familie und Schreibtisch, von Schuldgefühlen und Zweifeln. Mit all dem stehen sie bei weitem nicht alleine, so schrieb schon Edith Warton: „Wenn meine Arbeit nur besser wäre, wäre sie alles, was ich brauche. Aber meine Art von halbem Talent reicht zur Flucht nicht aus.“ Und auch Joan Didion war nicht nur Schreibikone, sondern von Zweifeln und Unsicherheiten geplagte Schriftstellerin: „Es steht viel schlampiges Zeug darin. Irrelevantes Zeug. Wörter, die nicht funktionieren. Unbeholfenheit.“ An dieser Stelle sei zu bemerken, dass durchaus auch Männer unter Selbstzweifeln, schrieb doch Theodor Fontane in einem seiner Briefe sinngemäss an seine Frau, dass er eigentlich gar nicht schreiben könne und das Ganze am besten sein liesse. Im vorliegenden Buch mussten die Männer aber schweigen, da es darum ging, Frauen eine Stimme zu geben in einem Bereich, in welchem sie noch immer viel zu wenig gehört werden. „Schreibtisch mit Aussicht“ ist ein Buch voller Einblicke, ein ehrliches Buch, ein Buch, das tief blicken und nachdenken lässt. Es ist ein Buch, das seinen Beitrag dazu leisten will, mehr Bewusstsein auf die noch immer vorherrschenden Ungleichbehandlungen zwischen den Geschlechtern zu lenken, welche gerade in dem Bereich umso unverständlicher sind, da Kreativität eine menschliche Angelegenheit und keine Frage des Geschlechts ist. Das einzige, was hier unterscheidet, ist der Fokus, welchen wir hier und heute setzen – es wäre an der Zeit, diesen besser auszurichten. Fazit: Ein grossartiges Buch mit Einblicken in die Schreibprozesse von 24 Schriftstellerinnen, über ihre Kämpfe und Freuden. Sehr empfehlenswert!

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