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monerl

Posted on 24.1.2021

Meine Meinung Dieses Buch ist viel mehr als die meisten Leser*innen sich wahrscheinlich davon versprechen. Denn im ersten Moment hat man vielleicht die Vorstellung, es würde hier in erster Linie um die Sprache im engeren Sinne gehen. Doch weit gefehlt. Die Autorin schreibt hier nicht nur über Worte und Sprachbildung, sondern über die Anwendung einer Sprache, über Unterschiede von Sprachen, über die Bedeutung von Unterschieden, über Auswirkung von Sprache, von Sprache, die Hass ausdrückt, Morddrohungen ausspricht, ausgrenzt, Menschen fremd fühlen lässt. Das alles und noch viel mehr, vervollständigt mit Beispielen, die zum Teil auch autobiografisch sind. Menschen, die mehrsprachig aufgewachsen sind, verstehen manchmal besser wie Sprache verändern kann. Auch mir geht es so, dass andere mich anders empfinden, wenn ich nicht Deutsch sprechen. Auch ich kann dieses Gefühl bestätigen, da ich es bereits öfters bei Menschen erlebt habe, die ich sehr gut kenne und die ich erlebt habe, wie sie sind und wie sie sprechen, wenn sie in einer anderen Sprache reden. Sprache kann verbinden, trösten, übergehen aber auch wehtun, schmerzen, wenn sie den gegenüber hasserfüllt wie Pfeile treffen. Ein ausgesprochenes Wort kann nicht mehr zurückgenommen werden. Diesen Spruch kennt jeder und der*die eine oder andere hat das selbst schon zu sprüren bekommen. Sprache wandelt sich und passt sich der Zeit und der Gesellschaft an, nach und nach. So gibt es Wörter, die man früher häufig benutzt hat, die heute wiederum kaum bis gar nicht mehr verwendet werden. Sprachbedeutungen verändern sich über die Zeit. Wörter, die früher eine neutrale Bedeutung hatten werden heute nicht mehr aufgrund von ihrer negativen Bedeutung durch andere, neue ersetzt. Heute gibt es Zeichen, wie z.B. die Gender-Sternchen (*), die geschlechtergerechte Schreibung im Deutschen Personen sichtbar machen soll, um auch nicht binäre Personen einzubeziehen. Über dies und noch viel mehr schreibt Kübra Gümüşay. Sie setzt sich damit auseinander und zeigt auch auf, wie unterschiedlich wir Sprachen und Sprachkenntnisse bewerten. Spricht jemand Englisch, Französisch oder Schwedisch fließend, sind wir begeistert. Doch ist es beispielsweise Türkisch, Arabisch oder Perisch, finden wir daran nichts besonderes. Und das lassen wir diese Muttersprachler*innen spüren. So erzählt die Autorin davon, wie sie damals in ihren Bewerbungsschreiben Türkisch bei den Sprachkenntnissen wegließ. Türkisch ist keine Sprache, mit der man sich rühmt, so lernen es die Türkisch sprechenden Kinder von klein auf. Fasziniert hat mich, als die Autorin Erfahrungen anspricht, für die es keinen Ausdruck gibt, die somit für andere nicht wahrnehmbar sind, wie z.B. sexuelle Belästigung in den 1960er Jahren. Wie sollte sich eine Frau wehren und von ihrem Erlebten erzählen wenn sie am Arbeitsplatz von ihrem Chef oder Kollegen sexuell belästigt wurde, wenn es für dies zu dieser Zeit in dieser Form in der Gesellschaft keine richtige Beschreibung und Missbilligung gab? Wie verändern Rechte unsere Sprache und ihre Bedeutung? Auch das können wir heutzutage leider miterleben. Wir waren Zeugen, wie Trump vier lange Jahre versuchte aus Lügen Wahrheit zu machen, wie er echten Fakten alternative Fakten und Wahrheiten gegenüberstellte. Wir erleben seit Jahren, wie die AfD das früher Unsagbare laut und permanent ausspricht, bis sich die Ohren daran gewöhnt haben und die Gefühle für die Bedeutung solcher Worte abschwächt. Wie oft hören wir derzeit „Das wird man doch noch sagen dürfen!“ Menschen werden durch Sprache kategorisiert und damit gebrandmarkt und ausgeschlossen. Sie werden zu Fremden gemacht. Ich kann gar nicht wiedergeben, wie viel mir dieses Buch zum Nachdenken gegeben hat. Sprache und ihre Anwendung untereinander, ihre Bedeutung in der Politik, ihre Entmenschlichung von Personen, Sprache, eine Waffe, die uns alle ins Herz treffen kann! „Erst wenn wir uns von unserem Absolutheitsanspruch verabschieden; erst wenn keine Perspektive über andere Perspektiven herrscht, diese strukturell unterordnet und unterdrückt; erst dann können alle Menschen unabhängig von Herkunft, Ethnie, Körper, Religion, Sexualität, Geschlecht, Nationalität frei sprechen. Erst dann werden wir alle sein.“ (Buch S. 166) Fazit Ein Buch, für das ich eine absolute Leseempfehlung ausspreche, weil Sprache uns immer und überall was angeht, weil wir über die Bedeutung und Benutzung von Worten und Sprache so viel Gutes und so viel Schlechtes anrichten können und uns deshalb darüber bewusst werden müssen. Weil wir uns alle sensibilisieren und erkennen müssen, was Sprache mit Rassismus zu tun hat.

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