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Buchdoktor

Posted on 12.12.2020

Zitat So kam es, dass Rath morgens um halb acht mit einer tiefschwarzen Remington und einer braunen Aktentasche unterm Arm an der Gepäckaufbewahrung im Bahnhof Zoo stand und sich reichlich dämlich vorkam. Vor allem, als der Mann am Schalter fragte, ob er die Schreibmaschine zur Aufbewahrung abgeben wollte, und Rath verneinte. "Verstehe, Sie führen ihren Liebling nur spazieren, wa," sagte der Dienstmann. "Koofense besser ne Leine, denn müssense nich so schleppen." Rath verzog keine Miene. "Ich brauche eine Information," sagte er und stellte die Maschine ab, um seine Marke zücken zu können. "Sieh mal an! Die Kriminalen jetzt mitten mobilen Büro unterwegs, wa? Und de Janoven? Nehmense die Huckepack, wennse einen fangen?" "Sie sollten im Varieté auftreten, ein Witzbold wie Sie ..." "Sacht meene Ilse ooch immer." "...aber die Preußische Polizei ist dummerweise gänzlich humorlos. Sparen Sie ihre dummen Witze also besser für das Bewerbungsgespräch im Wintergarten!" "Schon jut, schon jut. Is Humor neuerdings polizeilich verboten?" (S. 192/193) ----- Gereon Rath ist kein einfacher Kollege. Der Ermittler der Berliner Krinalpolizei neigt zu cholerischen Ausbrüchen und spontanen Alleingängen. Zur Arbeit im Team lässt Rath sich meist erst unter dem Druck seines Vorgesetzten "Bulldogge" Böhm herab. Der in die Reichshauptstadt versetzte Rheinländer tut sich auch nach einem Jahr noch immer schwer mit dem bissigen Humor der Berliner. Den Ansprüchen seines äußerst ehrgeizigen Vaters, der im Höheren Polizeidienst in Köln Karriere gemacht hat, kann Rath sich auch in Berlin nicht entziehen. Rath senior reist gemeinsam mit dem damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer an, um seinem Sohn eine Sonderaufgabe aufzudrängen. Rath junior ist derweil völlig mit Dienstpflichten und Privatleben ausgelastet. Bei Aufnahmen in einem Filmstudio war es während der Karnevalswoche des Jahres 1930 zu einem tödlichen Zwischenfall gekommen. Die Einführung des Tonfilms lässt bei Produzenten und Kinobesitzern die Emotionen hochschlagen. Es bleibt nicht bei dem einen Todesfall in der Filmbranche. Rath schafft es mal wieder, dass ihm sein privates und dienstliches Chaos über den Kopf wächst. Sein Gewährsmann bei der Zeitung läuft aus dem Ruder, Rath hat ein Disziplinarverfahren am Hals; und er müsste endlich seine privaten Beziehungen klären. Raths aktueller Fall spielt zur Zeit des Todes von Horst Wessel, mit dem Raths Abteilung am Rande befasst ist, und bietet damit einen interessanten historischen Hintergrund. Die Aufklärung mehrer Todesfälle in der Berliner Filmbranche zur Zeit der Weimarer Republik zieht sich im zweiten Band der Krimireihe hin. Doch der Blick hinter die Kulissen der "Burg", der Kriminalpolizei am Alexanderplatz, ließ mich bis zur letzten Seite geduldig ausharren. Volker Kutscher erzählt in "Der stumme Tod" Details, die dem Verständnis der Folgebände dienen. Wie erfahren von Raths komplizierter Beziehung zu seinen Eltern, warum er - ausgerechnet zur Zeit der Wirtschaftskrise - ein ausländisches Auto fährt, wie es in der Beziehung zu Charly weitergeht und wie Rath zu seinem Hund gekommen ist.

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