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bibliomarie

Posted on 17.9.2020

Theo, ein junger Psychologiestudent lebt in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung. Der Tod des Mitbewohners Mike erschüttert alle, er war zwar an ALS erkrankt, aber am Tag vorher noch munter und beim gemeinsamen Karaokeabend bester Laune. Theo ist entsetzt, wie oberflächlich der Arzt einen natürlichen Tod konstatiert, obwohl einige Ungereimtheiten ins Auge fallen. Zusammen mit seinen Mitbewohner will er mit der „Soko Handicap“ ein wenig tiefer bohren. Glücklicherweise ist Theos Schwester Polizistin und einige seiner Beobachtungen lassen auch bei ihr die Alarmglocken schrillen. Vor allem Autist Keno scheint etwas bemerkt zu haben, er ist vollkommen aufgelöst und spricht nur noch vom Taucher. . Ein interessanter zweiter Handlungsstrang verweist in die Vergangenheit und man ahnt, es wird noch eine Bedeutung bekommen. Das Setting für diesen Kriminalroman ist besonders und das ist auch die Absicht des Autors Thomas Franke. Er arbeitet als Sozialpädagoge in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung und er zeigt, dass es völlig egal ist, ob jemand „behindert“ ist oder nicht. Aber er legt den Finger auch auf Missstände und plötzlich bekommen Stichworte wie Barrierefreiheit, Pflegenotstand, Mangel an empathischem Fachpersonal eine ganz andere Bedeutung. Auf einer Fahrt in die Innenstadt habe ich plötzlich den Weg mit den Augen eines Rollstuhlfahrers betrachtet und war erschrocken, denn ich hätte mein Ziel nie allein erreichen können. Seine Figuren wachsen dem Leser schon nach wenigen Seiten ans Herz und plötzlich vergisst man Rollstuhl oder Trisomie21, man fiebert einfach mit Theo, Lene, Paula, Scotty und Keno. Wie sie ihre Möglichkeiten und besonderen Fähigkeiten einsetzen und ermitteln, ist spannend und immer wieder auch sehr witzig. Der menschliche Ton der Geschichte hat mich sehr beeindruckt. Natürlich möchte der Autor auch eine Botschaft vermitteln und das macht er sehr unaufdringlich und ohne erhobenen Zeigefinger. Für mich war dieser Kriminalroman eine echte Bereicherung des Genres. Die Geschichte endet offen – ein zweiter Band ist bereits in Arbeit und ich bin sehr gespannt, wie sich das Rätsel um Mikes Tod und des geheimnisvollen „Tauchers“ auflösen wird.

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