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Dreamworx

Posted on 6.9.2020

Zwei Seiten einer Medaille 2016. Der 70-jährige Politik-Journalist Jean Farel ist schon lange für seine TV-Sendungen berühmt und lebt mit seiner 27 Jahre jüngeren Ehefrau Claire, einer ebenfalls bekannten und nicht gerade öffentlichkeitsscheuen Feministin in Paris, während der 21-jährige Sohn Alexandre in Kalifornien an der Stanford Universität studiert. Während Jean bei einer exklusiven Abendveranstaltung vom französischen Präsidenten für besondere Verdienste den Orden der Ehrenlegion überreicht bekommt, feiert Alexandre mit Studienfreunden ausgelassen eine Party, die zur Folge hat, dass die Welt der Farels mit dem Auftauchen der Polizei vor ihrer Haustür am nächsten Morgen in Stücke fällt… Karine Tuil hat mit „Menschliche Dinge“ einen intelligenten und hochspannenden Roman vorgelegt, in dem sie mit ihrer Geschichte die heutige Gesellschaft sehr genau und kritisch unter die Lupe nimmt und deren Eigenschaften wiederspiegelt. Angelehnt an die großen Sexismus-Skandale der Gegenwart wirkt die Handlung sehr glaubwürdig und gewährt dem Leser nicht nur Einblick hinter die Kulisse in das Gefüge der Familie mit all ihren Gedanken und Gefühlen, sondern auch in den sehr öffentlich ausgetragenen Umgang der Gesellschaft mit den Vorkommnissen. Dabei schwankt man als Leser immer zwischen zwei Seiten hin und her, denn aus der Sicht der Männer ist es neben Macht und Geld ein Spiel um Selbstgerechtigkeit und Selbstdarstellung, während es bei den Frauen oftmals Selbstbestimmung, verletzter Stolz oder auch verschmähte Liebe ist. Beide Seiten sind durch die Natur der Menschen durchweg nachvollziehbar, wenn auch nicht zu goutieren. Mit wechselnden Perspektiven gelingt es der Autorin, die unterschiedlichen Auffassungen des Vorfalls an den Leser zu bringen, der dazu „verdammt“ ist, selbst abzuwägen, auf welcher Seite er steht. Doch so einfach ist es dann doch nicht, denn aufgrund unserer jeweiligen Erziehung und Position in der Gesellschaft neigt man leider nur zu oft dazu, sich auf eine Seite zu schlagen und sich eine Meinung zu bilden, ohne der Gegenseite genug Gehör geschenkt zu haben. Gerade diese Tatsache führt dazu, dass ganze Existenzen allein auf Hörensagen zerstört werden und die Betroffenen fortan als personae non gratae in dieser Gesellschaft gelten. Tuil hat ihren Spannungsbogen gemächlich angelegt, zieht aber im Verlauf der Handlung die Fäden immer mehr an, so dass der Leser bis zum Ende an den Seiten klebt. Die Charaktere sind sehr glaubwürdig und authentisch inszeniert, so dass sie wie aus der Realität gegriffen wirken. Jederzeit kann man als Leser auf sie treffen, ob sie einem sympathisch sind, ist eine andere Frage. Jean Farel hat sich sein Ansehen und Ruhm hart erarbeitet, was ihm eine gewisse Aura der Arroganz sowie Egoismus verleiht. Er fühlt sich überlegen und unantastbar, ist kein Kostverächter, denn das Eheleben mit Claire ist Fassade. Claire ist ebenfalls erfolgreich, doch wird sie am Ende ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, da sie zwar nach außen gepredigt, aber innerlich das Gegenteil getan hat. Alexandre ist ein intelligenter und fleißiger junger Mann, der dem Druck seiner Eltern gerecht werden möchte, doch seine Unsicherheit und Sensibilität ihm dabei im Weg stehen. Aber auch Mila und ihre Mutter sowie weitere Protagonisten runden mit ihren Auftritten diesen Roman ab. Mit „Menschliche Dinge“ ist Karine Tuil eine meisterhafte Gesellschaftsstudie der heutigen Zeit in Romanform gelungen, die dem Leser noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Es gilt beide Seiten einer Medaille zu betrachten und Raum für Möglichkeiten miteinzubeziehen, bevor man vorschnell ein Urteil fällt. Die kontroverse Betrachtung des Umgangs zwischen Männern und Frauen ist heutzutage wichtig, um dauerhaft an sich zu arbeiten und Werte zu leben. Absolute Leseempfehlung!

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