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Eve

Posted on 2.9.2020

Als Call Me by Your Name 2007, in Deutschland 2008, erschien, wurde es gefeiert. André Aciman erntete für seinen Debütroman von allen Seiten Lob. Im Zentrum des Buches die Beziehung zwischen Elio und Oliver, die Besonderheit, dass Sexualität nur in sofern eine Rolle spielt, dass der 17 jährige Elio seine eigene entdeckt, nicht aber gelabelt oder großartig zur Sprache gebracht wird. 2017 feierte die vielfach prämierte Verfilmung von Regisseur Luca Guadagnino ihre Premiere. Mit Find Me ist nun die lang ersehnte Fortsetzung erschienen. „Und einige unserer sehnlichsten Wünsche bedeuten am Ende unerfüllt mehr als ausgetestet – meinst du nicht?“ Gliedern lässt sich der Roman in drei Teile, zunächst geht es um Samuel, Elios Vater, der im Vorgängerroman zwar eine wichtig aber dennoch keine zentrale Figur war. So wirkt Find Me zunächst eher wie ein Spinn-Off denn wie eine Fortsetzung. Samuel lernt im Zug Miranda kennen, mittlerweile ist er von seiner Frau geschieden, steift mit seiner frischen Bekanntschaft durch Rom, verliebt sich in sie. Erst gegen Ende dieser ersten Erzählung ist Elio selbst anwesend. Fünf Jahre vergehen, Elio lebt mittlerweile in Paris. Michel könnte sein Vater sein, stattdessen fühlen sich Beide auf eine andere Art und Weise von einander angezogen. Und obwohl sich Elio in dieser Beziehung seit langer Zeit wieder am wohlsten fühlt, bleibt noch immer die Sehnsucht nach dem was Vergangen ist, die Sehnsucht nach Oliver. Oliver, verheiratet und Vater zweier Söhne, merkt ebenfalls, dass ihm etwas fehlt. Auch er hängt noch an Elio, der Grund, dass seine Ehe letztlich scheitert. „Je besser wir jemanden kennen, desto fester verschließen wir die Türen zwischen uns – nicht umgekehrt.“ 20 Jahre sind seit der Vorgeschichte aus Call Me by Your Name vergangen, bis sich Oliver und Elio in Find Me wieder finden, sich nach all der Zeit wieder an einander annähern, neu kennenlernen, ihre Flitterwochen feiern. Altersunterschiede zwischen den Figuren, bei Call Me by Your Name teils scharf kritisiert, lassen sich als eine Metapher für Differenzen interpretieren. Spannungen und Unterschiede, Michel ist von Elios Jugend fasziniert, er findet sie anziehend. Elio hingegen fühlt sich von Michels zurückhaltender Art, seiner Eleganz angezogen, sieht in ihm Parallelen zu Oliver. Obwohl die Charaktere allesamt eine interessante Geschichte mit sich bringen, ist diese nicht immer allzu detailliert ausgearbeitet. Besonders Olivers Verhältnis zu seinen Söhnen, seiner Frau wurde kaum besprochen, dabei wäre ihre gemeinsame Geschichte für die gesamte Erzählung interessant gewesen. Und auch für das Ende hätte sich Aciman etwas mehr Zeit lassen können. Wie auch schon in Call Me by Your Name verspüren Elio und Oliver zu keiner Zeit das Bedürfnis, ihre Sexualität mit irgendeinem Label zu betiteln, auch andere typische Themen queerer Liebesgeschichten, wie etwa das Coming-Out oder Homophobie spielen keine Rolle, so wird die beinahe utopische Atmosphäre des Vorgängers auch in Find Me wieder eingefangen. Die sehr verschachtelte Erzählung springt zwischen verschiedenen Orten, verschiedenen Geschichten und Zeitebenen hin und her, hier fehlte so etwas wie eine Einteilung in kürzere Kapitel oder Zwischenüberschriften, die diese Sprünge leichter verständlich machen würden. Der Autor driftet immer wieder ins Philosophische ab. Bringt Gedanken auf den Punkt, sodass sie in einem Kalender wieder zu finden sein könnten. „…Zeit ist immer der Preis, den wir für das ungelebte Leben zahlen.“ „Was dir guttäte, ist vielleicht weniger Stolz und mehr Mut. Stolz ist der Spitzname, den wir der Angst geben.“ „Du stirbst, und kein Mensch spricht von dir, und ehe du dichs versiehst, fragt niemand mehr, die Leute erzählen nichts mehr, wissen nichts mehr oder wollen auch nur etwas wissen. Du bist aus der Welt, hast nie gelebt, nie geliebt. Die Zeit wirft keine Schatten, und die Erinnerung streut keine Asche.“ Wie auch der Autor selbst in einem Interview sagte, kann beim Lesen von Find Me keine Fortsetzung im konventionellen Sinne erwartet werden. Sowohl Buch, als auch Film seien in sich geschlossen. Mit Find Me wolle Aciman lediglich einige Momente neu einfügen. Find Me ist ähnlich philosophisch, legt ansonsten aber andere Schwerpunkte, als Call Me by Your Name. Das Bewusstsein der Differenzen, dessen, dass das Buch eben nicht den Anspruch erhebt, eine Fortsetzung zu sein, ist wichtig um sich nicht die Freude, die das Lesen dieser Erzählung mit sich bringen kann, mit falschen Erwartungen zu verderben.

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