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gino-alessandro

Posted on 14.8.2020

King sortiert man gerne in die Horror-Schublade, doch dieses Buch hat dort nichts zu suchen. Die Jungs-Clique um Gordie Lachance erinnert einerseits stark an den "Club der Verlierer" in "Es" - Kinder, die durch familiäre Traumata unterschiedlichster Art viel zu früh erwachsen wurden, ihren kindlichen Entdeckergeist ebenso wie ihre Aufrichtigkeit aber beibehalten haben. Statt um einen Monster-Clown geht es hier allerdings um die "Monster in jedem von uns", wie der Klappentext verrät. Es sind vor allem die "Monster" im engsten Umfeld, denn gerade ihre auf jede denkbare Art verwundeten und verletzenden Familien sind es, die diese vier Jungs zu dem gemacht haben, was sie sind. Ihre unzertrennliche Freundschaft bildet den Schutzraum, in dem sie trotz allem ihren Träumen, Abenteuern und verrückten Ideen nachgehen können. "Coming of Age" würde es die Literaturkritik heute vermutlich nennen, doch selbst diese kurze Novelle mit ihren gerade mal 240 Seiten macht Stephen King zu einem Stück packender Erfahrungsliteratur, die trotz kaum vorkommender Horror-Elemente genauso zu fesseln weiß, wie seine besten langen Romane. Um das Buch zu genießen sollte man die Erzähleskapaden des Autors entweder kennen oder wenigstens Offenheit für so etwas mitbringen, denn mittendrin lässt er seine Hauptfigur auch mal über mehrere Seiten eine Kurzgeschichte mit einer scheinbar ganz anderen Handlung schreiben, die dann auch in voller Länge enthalten ist - mitten in der Romanhandlung und inklusive literarischer Analyse durch den fiktiven Ich-Erzähler Gordie. Mit diesem Kniff und mit der autobiografisch geprägten berührend-wilden Jungsclique beweist King erneut, dass er nicht nur Masse, sondern auch Klasse kann. Jenseits unterhaltsamer Horrorschocker (die trotzdem zu den besten ihres Genres gehören) kann er wie kein zweiter über die Menschen schreiben, die das Herz seiner Geschichten sind und seiner Begeisterung für Literatur darin Ausdruck verleihen.

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