Profilbild von SternchenBlau

SternchenBlau

Posted on 15.3.2020

Eine Entfremdung Als ich das Buch aufgeschlagen habe, war ich sofort verzaubert: Schon vor der Seite mit dem Titel ist eine transparente Seite mit einer filigranen Seite eingefügt. Und Seiten aus Transparentpapier ziehen sich durch das ganze Buch, sie verdecken die darauffolgenden Seiten nur zum Teil und diese ungewöhnliche Form ist stark mit dem Inhalt verwoben. Rosa verwebt den Nebel zu Kleidungsstücken, Vorhängen und Teppichen, die immer wieder vergehen. „Rosas Stoffe sind heiß begehrt.“ Denn die Menschen decken damit jenes ab, das sie nicht sehen möchten. Dann bekommt Rosa einen Brief ihres Vaters und sie kann endlich die Verletzung ihrer Kindheit erkennen, wo sie den Vater verloren hat. Der Nebel lichtet sich und sie kann ihm eine Decke aus Sonnenstrahlen weben. „Aber warum?“, hat mein Sohn gefragt, als ich ihm das Buch vorgelesen haben. Er bezog sich auf die Sonnenstrahlen. Und ich hatte ein ähnliches Warum, als ich das Buch zum ersten Mal zugeklappt habe. Was hakt da für mich, dass ich dieses Buch zwar ästhetisch wunderschön finde, aber trotzdem so ein starkes Unbehagen habe? Es schlossen sich immer mehr Fragen an. Soll der Mutter die Schuld gegeben werden, weil sie den Vater nie wieder erwähnt hat? Soll hier der Mutter etwa gar Eltern-Kind-Entfremdung unterstellt werden? Das fände ich in vielerlei Hinsicht heikel. Zum Glück hat die WHO kürzlich entschieden die „Parental Alimentation“, die von sogenannten Männerrechtlern gerne mal ins Feld geführt wird, vollständig aus der neuen ICD-11 Datenbank zu entfernen. Das würde auch in diesem Fall überhaupt nicht passen. Und hier gab es Streit, der Vater geht und meldet sich dann nie wieder. Warum? Wie bringt man das als Elternteil übers Herz? Und es geht um Jahre, immerhin steht im Buch: „Groß werden, trotz dieser Leere.“ Aber wie kann der Vater dann schreiben: „Für dich bin ich immer da“, wenn er es doch jahrelang nicht war. Und dann fängt Rosa an zu machen und zu tun und vorzubereiten. Hier dreht sich die Verantwortung zwischen Kind und Eltern um. Und wie kann man den Vater in dem Zusammenhang später sagen lassen: „Für dich habe ich alle Zeit der Welt“??? Das nimmt die Ängste und Nöte von verlassenen Kindern nicht ernst, denn am Ende ist eben nicht alles gut und aus Sonnenstrahlen gewebt. Da passt dann die wunderschöne Ästhetik mit dem Transparentpapier nicht mehr. Für meinen 8jährigen war auch völlig unverständlich, warum der Vater geht, und wie das alles zusammenhängt. Ich denke, dass kleinere Kinder bei diesem Buch noch größere Probleme haben werden. Vielleicht ist das Buch ja auch eher etwas für Erwachsene, die verlassen wurden, und nun damit ihr inneres Kind heilen können. Als Kinderbuch finde ich es ungeeignet. Der Mixtvision-Verlag verlegt viele tolle Bücher, wir lieben z.B. „Fitz Fups muss weg“ ganzem Herzen geliebt. Umso mehr bedauere ich meine Bewertung, aber hier hakt mir bei der Aussage leider viel zu viel. Für die Ästhetik würde ich ohne Zögern 5 Sterne vergeben, für die Aussage 0. So komme ich auf 2,5 und runde leider ab.

zurück nach oben