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Franzi

Posted on 14.2.2020

Germain ist ein korpulenter, etwas trottelig daherkommender Mann mittleren Alters, der sich aufgrund seiner geringen Intelligenz mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt. Schon seine Kindheit begann nicht sehr rosig und dies zog sich durch sein ganzes Leben. Mit kleinen Nebenjobs hält er sich über Wasser, eine feste Freundin hat er auch nicht. Allerdings ist Germain ein herzensguter Mensch, dem es keineswegs an emotionaler Intelligenz fehlt. Er betrachtet die Welt auf seine ganz eigene Art. Als er dann die 85-jährige Margueritte im Park beim Taubenzählen kennenlernt, beginnt sein Leben sich in eine wahrlich positive Richtung zu verändern. Denn nach zunächst unverfänglichen Gesprächen über die Tauben, das Leben und die Familie, zeigt sie ihm das Reich der Buchstaben und Wörter. Germain hat bisher eine große Scheu vor Buchstaben gehabt, man könnte fast meinen, er ist Analphabet. Doch er hat ein Gespür für das Schöne und beginnt sich so für die Welt der Bücher zu öffnen. Und so begeistert sich der zunächst so einfältig und dümmlich daherkommende Germain immer mehr für die Literatur und das Leben an sich zu interessieren. Selbst über seine Gefühle zu Anette macht er sich tiefgehende Gedanken und belebt so seine kleine Romanze mit ihr. Bis ein Schicksalsschlag die sensible Freundschaft zu Margueritte zu gefährden droht und er umgehend nach einer Lösung sucht. Dieses sprachlich wunderbare Buch zeichnet sich nicht durch seine Spannung aus. Wer diese hier sucht, wird leer ausgehen. Wer allerdings bereit ist für ein stilles Buch mit viel Sprachbrillianz, die nie zu hochtrabend ist, welches den Leser auch ab und zu schmunzeln lässt, der ist hier genau richtig. Beim „Labyrinth der Wörter“ handelt es sich um ein Wohlfühlbuch vom Feinsten. Die Geschichte wird in der Ich-Form von Germain erzählt und so fließt auch sehr viel umgangssprachlicher Jargon mit ein, wie beispielsweise „um mich in die Falle zu hauen“. Das macht das ganze auf eine ganz besondere Weise sehr liebenswert. Ab und zu versucht er mal ein Fremdwort mit einzubauen, was dann allerdings nie geschwollen daher kommt. Als kleines Schmankerl wird der Leser auch noch neugierig gemacht auf real existierende Bücher, denn ganz geschickt werden Zitate aus „Die Pest“ von Albert Camus, „Frühes Versprechen“ von Romain Gary, „Der Alte, der Liebesromane las“ von Luis Sepúlveda und „Das Kind vom hohen Meer“ von Jules Supervielle in die Geschichte eingeflochten. Dieses dünne kleine Büchlein hat soviel sprachliche und emotionale Tiefe, die es aber mit soviel Leichtigkeit vermittelt, dass ich die Lektüre nur jedem ans Herz legen kann.

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