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Buchensemble

Posted on 30.5.2019

960 Seiten emotionale Achterbahn Ein wenig Leben wollte ich eigentlich nicht lesen. Zu viel Hype. Zu dick. Außerdem: Ein Entwicklungsroman über vier Freunde in New York, in dem es um deren Beziehung zueinander geht, hat mich thematisch wenig angesprochen. Und dann habe ich es doch gekauft, aus einem Impuls heraus, weil ich so viel Positives darüber gehört hatte. „Berührend“, „herzzerreißend“, „Jahreshighlight“, „absoluter Must-Read“, wurde es genannt. Also habe ich es mitgenommen, dieses wunderbare Buch mit dem poetischen Originaltitel A Little Life. Und dann stand es in meinem Regal, so herumgedreht, dass ich jeden Tag einen Blick auf das Cover hatte, den „Orgasmic Man“, das ewig verzerrte Gesicht, ob vor Schmerz oder Ekstase wusste ich nicht und weiß es auch jetzt nicht. Überhaupt weiß ich nicht, was ich jetzt mit mir anfangen soll, jetzt, nach dieser Lektüre. Was ich weiß, ist das: Ein wenig Leben hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen und nicht wieder losgelassen, auch jetzt nicht, wo ich es längst wieder zugeschlagen habe. Und, dass es um viel mehr geht, als bloß um Freundschaft: Es geht um ein ganzes Leben. Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe: Die Danksagung überflogen und beim letzten Absatz über Jared Hohlt hängengeblieben Die Widmung noch einmal gelesen: „To Jared Hohlt in friendship; with love“ Hanya Yanagihara gegoogelt Mein Eindruck zu Ein wenig Leben: Der erste Eindruck ist immer haptisch. Ganz besonders bei Ein wenig Leben*, also eigentlich bei der englischen Version A Little Life, denn ich habe mich dazu entschieden, es im Original zu lesen, damit bei der Übersetzung nichts verlorengeht. „Ganz schön viele Seiten“, dachte ich. 816, um genau zu sein – 960, in der deutschen Fassung. Sieben Abschnitte, der erste gleich betitelt wie der letzte. Dünnes Papier, empfindliches Cover, ein Gebrauchsgegenstand, der mich die nächsten „Sekunden, Minuten, Stunden, Tage“ begleiten würde. Stärker als ich dachte, und vor allem schneller, nämlich von der ersten Seite an, zogen mich die vier Freunde JB, Jude, Malcolm, Willem, in ihren Bann. Im erstenAbschnitt springen wir durch die Perspektiven von JB, Malcolm und Willem. Wissen wir über Jude zuerst nur, dass wir nichts über ihn wissen, erleben wir den ganzen zweiten Abschnitt aus seiner Sicht. Und dann ist auch klar, warum wir zuerst die anderen drei so gut kennenlernen mussten. Denn sobald wir einen kleinen Einblick in Judes Abgründe bekommen, wollen wir nichts anderes mehr sehen, können uns auf nichts anderes mehr konzentrieren. Damit ändert sich alles. Der gesamte Fokus wird verschoben: haben wir zuerst alle vier Freunde als Zentrum der Geschichte angenommen, wird jetzt klar, dass sich in Wahrheit alles, nein, alleum Jude drehen, wie blasse Monde um ihre Planeten, von dem sie angezogen werden, ohne ihn je ganz erreichen zu können … oder doch? S. M. Grubers vollständige Rezension findeset du beim Buchensemble: https://www.buchensemble.de/ein-wenig-leben/

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